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Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag

© dpa

Stasikontakte des Linken-Politikers: Drei Aktenordner zum Fall Gysi

Bei ihren Ermittlungen gegen den Linken-Politiker Gregor Gysi müssen die Hamburger Staatsanwälte nun viel lesen: Sie haben Material von der Stasiunterlagenbehörde angefordert - und drei dicke Aktenordner bekommen.

Von Matthias Meisner

Bei ihren Ermittlungen gegen den Linken-Politiker Gregor Gysi greift die Hamburger Staatsanwaltschaft jetzt auf von ihr angefordertes Material aus der Stasiunterlagenbehörde zurück. Der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Carsten Rinio, bestätigte dem Tagesspiegel, dass von dort „drei Leitz-Ordner“ zu dem Fall eingetroffen seien. Diese Unterlagen, mehrere hundert Seiten, werden derzeit ausgewertet – nachgegangen wird dem Verdacht auf Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Er könne „guten Gewissens nicht sagen, ob das Wochen oder Monate dauern wird“, sagte Rinio. Denkbar sei auch, dass „sich weitere Ermittlungen anschließen“.

Lothar Thoß, ein pensionierter Richter, hatte den Chef der Linksfraktion des Bundestages vor einem Jahr angezeigt. Der 78-Jährige zweifelt die Richtigkeit einer eidesstattlichen Versicherung an, die Gysi vor gut zwei Jahren im Zusammenhang mit einer vom NDR-Fernsehen ausgestrahlten Dokumentation abgegeben hatte. Darin hieß es: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet.“ Ermittlungen in dem Fall waren im Februar publik geworden. Der in Dresden aufgewachsene Thoß war vor der Gründung der DDR aus der Sowjetischen Besatzungszone über die „grüne“ Grenze nach Bayern geflohen und später lange Jahre Richter am Münchener Landgericht. Der heute in einer Weinbaugemeinde in Rheinland-Pfalz lebende Hobby-Historiker meint, die Aktenlage gegen Gysi sei „ziemlich erdrückend“ – andere hätten „bei einer weit geringeren Aktenlage zurücktreten müssen“.

Gysis Anwälte Nicolas Becker und Stefan Conen argumentieren, Gysis eidesstattliche Versicherung sei konkret auf die Darstellung in der NDR-Fernsehsendung zu beziehen. Ob die Hamburger Staatsanwaltschaft dem folgt, ist nicht sicher. Dort gibt es die Auffassung, der Text von Gysis Versicherung „bezieht sich nicht auf einzelne Fälle“, sondern sei „viel weiter gespannt“. Dass Gysi als Rechtsanwalt in der DDR Kontakt zu Staatssicherheitsleuten hatte, war von ihm zuletzt nicht mehr geleugnet worden. Gysi hatte sich mehrfach „sehr optimistisch“ gezeigt, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt werde. In einer umfangreichen Stellungnahme für die Staatsanwaltschaft bestritt er, eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben. Denkbar ist, dass die Ermittler in der heißen Phase des Bundestagwahlkampfs Anklage erheben. Möglichkeiten, der Hamburger Staatsanwaltschaft die Zeit vorzuschreiben, sieht Gysi nicht. Stutzig machen würde ihn, wie er kürzlich sagte, allerdings eine Einstellung kurz nach der Bundestagswahl am 22. September.

Gysi hatte sich in jüngster Zeit spürbar zurückgenommen – seine Journalistenrunden in den Sitzungswochen des Bundestages ließ er mehrfach ausfallen. Ein für März angekündigtes Buch von Gysi mit dem Titel „Wie weiter? Nachdenken über Deutschland“ erschien nicht planmäßig. Es soll nun, wie der Verlag Das Neue Berlin mitteilte, Ende Juni auf den Markt kommen. Für den linken Verlag ist anderes erstmal wichtiger: eine von Egon Krenz herausgegebene Textsammlung zum 120. Geburtstag von Walter Ulbricht.

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