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Stasiunterlagenbehörde: Keine Abmahnung gegen Kurras-Enttarner

Der Rechtsstreit zwischen der Birthler-Behörde und ihrem Wissenschaftler Müller-Enbergs ist beigelegt. Der Historiker hatte die Stasi-Spitzeltätigkeit von Karl-Heinz Kurras publik gemacht, ohne seine Vorgesetzten ausreichend zu informieren.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Die Stasiunterlagenbehörde wird eine Abmahnung gegen ihren renommierten wissenschaftlichen Mitarbeiter Helmut Müller-Enbergs aus den Personalakten wieder entfernen. Der Wissenschaftler wird seinerseits künftig die Behördenleitung auf besonders bedeutungsvolle Erkenntnisse seiner Arbeit ausdrücklich hinweisen. Auf diesen Vergleich, den das Landesarbeitsgericht beiden Seiten nahegelegt hatte, haben sich die Behörde und ihr Angestellter geeinigt, wie das Gericht jetzt mitteilte. Damit endet ein mehrmonatiger Arbeitsrechtsstreit, nachdem Müller-Enbergs gegen seinen Arbeitgeber geklagt hatte, um die Entfernung der Abmahnung zu erreichen.

Ausgangspunkt war eine sensationelle Enthüllung: Im Mai 2009 hatte der bei der Behörde beschäftigte Historiker in der Fachzeitschrift „Deutschland-Archiv“ berichtet, dass der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, ein Spitzel des Ministeriums für Staatssicherheit war. Der Artikel löste ein gewaltiges Medienecho aus und überraschte auch Behördenchefin Marianne Birthler. Weil der Mitarbeiter die Behördenleitung nicht ausreichend informiert habe, erteilte sie ihm eine Abmahnung. Müller-Enbergs, der erklärte, er habe die Veröffentlichung den internen Richtlinien gemäß von seinem Vorgesetzten genehmigen lassen, klagte gegen die Abmahnung.

In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht war deutlich geworden, dass das Gericht der Behörde offenbar wenig Chancen einräumte, im Falle eines Entscheids die Abmahnung aufrechterhalten zu können. Und es war auch zur Sprache gekommen, dass die Kurras-Akten zuvor bereits zwei Mal bei behördeninternen Vorgängen von Mitarbeitern zur Kenntnis genommen worden waren, ohne dass deren Brisanz erkannt worden war. Die Behörde glaubte wohl zuletzt selbst nicht mehr an einen Erfolg vor Gericht. Das lässt sich daraus schließen, dass sie sich nicht nur zur Entfernung der Abmahnung, sondern auch zur Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten bereit erklärte.

Auch wenn sich die Streitparteien im Rahmen des Vergleichs zusichern, die gegeneinander erhobenen Vorwürfe nicht zu wiederholen, dürfte das Verhältnis zwischen der Behörde und Müller-Enbergs, der als exzellenter Fachmann vor allem für die Westarbeit der Stasi gilt und auf Vorschlag der Bündnisgrünen Mitglied der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Brandenburg ist, getrübt bleiben. Denn schon in der Vergangenheit gab es mehrfach Auseinandersetzungen zwischen Birthler und Müller-Enbergs, etwa bei der Bewertung der Erkenntnisse über Stasi-Spitzel im Westen. Und arbeitsrechtliche Schritte leitete die Behörde auch im Jahr 2007 ein, als Müller-Enbergs auf einer Tagung an der dänischen Universität Odense ein von ihm verfasstes Referat verlesen ließ. An dem Symposium hatten auch ehemalige hochrangige Stasi-Mitarbeiter teilgenommen und deshalb war sie von der Behördenleitung boykottiert worden. Bis im März nächsten Jahres Birthlers Amtszeit endet, werden sie und Müller-Enbergs wohl keine Freunde mehr werden.

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