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Operationen sind oft riskant – und dabei passieren Fehler, die Folgen haben können. Die Zahl der Todesfälle ist aber laut Statistik sehr gering.

© dpa

Statistik zu Schadensfällen: Tausende Patienten leiden unter Ärztefehlern

Wegen vermuteter Behandlungsfehler wandten sich pro Jahr gut 12 000 Patienten an die Schlichtungsstellen der Ärztekammern. Tatsächlich, sagen Patientenschützer, sind viel mehr davon betroffen.

Einmal jährlich sieht sich die Bundesärztekammer verpflichtet, den Blick auf die unschöne Seite ärztlichen Wirkens zu richten. Es geht dann um Behandlungsfehler und deren Ursachen. Bei dieser Gelegenheit bitten die Funktionäre regelmäßig um zweierlei. Erstens die Zahl der wenigen gerichtsfest nachgewiesenen Schäden doch bitte schön in Relation zur Gesamtzahl aller Behandlungen zu stellen. Und zweitens das Wort „Pfusch“ zu vermeiden. „Wir Ärzte machen Fehler, wir sind aber keine Pfuscher“, beharrte Andreas Curtius, der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, bei der Präsentation der aktuellen Statistik am Montag in Berlin. Bei Fluglotsen spreche man schließlich auch von „menschlichem Versagen“. Und obwohl jeder Behandlungsfehler einer zu viel sei: Gemessen an der Gesamtzahl lägen sie „im Promillebereich“.

2243 nachgewiesene Fehler

Tatsächlich wirken die Zahlen, mit denen die Ärzte aufwarteten, angesichts von 672 Millionen Behandlungsfällen im Jahr auch diesmal wieder erstaunlich niedrig. 12.173 Beschwerden wegen vermuteter Behandlungsfehler gingen bei ihren Kammern im vergangenen Jahr ein – 59 weniger als 2012. Fast 8000 davon wurden von den Gutachtern weiterbearbeitet. In 2243 Fällen wurde der Fehlerverdacht bestätigt. Und nur in 1864 Fällen war er aus Schlichtersicht auch Ursache für einen Gesundheitsschaden – was einen Anspruch auf Entschädigung begründet. Zudem, so versicherte Walter Schaffartzik als Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, seien 58 Prozent der nachgewiesenen Fehler nur geringfügiger bis mittelschwerer Natur gewesen. Zu Dauerschäden führten 38 Prozent der Fehler. Nachgewiesenermaßen tödlich verliefen sie für 77 Patienten.

AOK rechnet mit anderen Zahlen

Im Januar waren ganz andere Zahlen auf dem Markt. Damals schätzte das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido) die Zahl der Behandlungsfehler pro Jahr allein für die Krankenhäuser auf 190 000 und die Zahl der dadurch zu Tode Kommenden auf 19 000 – fünfmal so viele wie im Straßenverkehr. Unseriös, wetterten die Mediziner, solche „Horrorzahlen“ beruhten auf „Uralt-Schätzungen“. Allerdings mussten sie einräumen, dass auch ihre jetzt vorgelegten Zahlen nicht repräsentativ sind und „nur einen kleinen Ausschnitt abbilden“. Schließlich handelt es sich ausschließlich um Fälle, die bei ihren Schlichtern angelangt sind. Etwa gleich viele landen pro Jahr auch jeweils bei Krankenkassen, Versicherern und den Gerichten.

Und viele der Opfer dürften weder selber die Kraft noch die Angehörigen haben, um Fehler nachzuweisen und eventuell berechtigte Ansprüche durchzuboxen. Die Dunkelziffer, sagt Schlichtungsstellen- Geschäftsführer Johann Neu, nachdem er ausgiebig über die „verschwindend kleine Zahl“ von Fehlern geredet hat, sei „nicht bekannt“.

Patientenschützer fordern Zentralregister

Patientenschützer sehen darin jedoch das eigentliche Problem. Die veröffentlichten Zahlen von Ärztekammern, Kassen und Versicherern seien die Spitze eines Eisberges, heißt es bei der Stiftung Patientenschutz. Überfällig sei ein Zentralregister für Behandlungsfehler. Zudem müsse jede Klinik ihre Behandlungsfehler für die Patienten transparent machen. Hinzu kommt rechtliche Unsicherheit. Die Politik habe es trotz Patientenrechtegesetz „nicht hinbekommen, die Beweislast zu vereinfachen“, kritisierte der Berliner Patientenanwalt Frank Teipel. Und auch Schäden durch Hygienemängel würden nicht systematisch erfasst.

Fehlerschwerpunkte sind den Kammern zufolge Operationen und bei niedergelassenen Ärzten die Diagnostik. Am häufigsten beanstandet: die Behandlung von Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie von Brüchen an Unterschenkel und Sprunggelenk. Nicht jeder therapeutische Misserfolg sei aber ein Behandlungsfehler, betonte Crusius. Angesichts „überlanger Arbeitszeiten“ und wachsenden Behandlungsdrucks sei es eher „bemerkenswert“, dass die Zahl der festgestellten Fehler seit Jahren so konstant geblieben sei.

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