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Mobilität in Deutschland: 77 Prozent der Haushalte haben ein Auto.

© Gina Sanders - Fotolia

Statistisches „Jahrbuch Deutschland 2015“: Mehr Westler ziehen in den Osten als umgekehrt

Immer mehr Deutsche ziehen aus dem Westen Deutschlands in den Osten. Und nach Bayern, sagt das Statistische Bundesamt. Zahlen, Fragen und Antworten zum Thema Mobilität.

Von Maris Hubschmid

Deutschland wird digitaler, globaler, auch älter. Viele Entwicklungen passieren ohne unseren Einfluss – andere streben wir ganz gezielt an. Die Menschen in diesem Land verändern sich beruflich, räumlich und sozial. Aber wie beweglich sind sie wirklich? Am Mittwoch hat das Statistische Bundesamt in Berlin das „Jahrbuch Deutschland 2015“ vorgestellt. Den Schwerpunkt legten die Forscher diesmal auf Mobilität. Mobilität, so heißt es im Vorwort, stehe nicht nur für Aktivität, sondern für Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe. Dementsprechend weit lässt sich der Begriff fassen.

Wie verwurzelt sind die Deutschen in ihrem Bundesland?

Der neue Job ist nicht immer vor der Haustür zu finden, zum Studieren zieht es viele weg von Zuhause: Im Jahr 2013 haben 1,1 Millionen Menschen das Bundesland gewechselt. Dabei haben einige Länder dazugewinnen können, andere Einwohner verloren. Den heftigsten Bevölkerungsschwund verzeichnete mit Abstand Nordrhein-Westfalen vor Thüringen und Sachsen-Anhalt. Zu den größten Gewinnern zählt mit einem Bevölkerungszuwachs von insgesamt 41.892 Menschen Berlin. 6810 der Neuberliner waren Deutsche. Am häufigsten zog es Menschen nach Bayern. Den Statistikern zufolge spielt dabei die gute Arbeitsmarktsituation eine Rolle. Auch Hochschulen sowie die Lebensqualität allgemein können Ausschlag für einen Umzug geben.

Deutlich wird: 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist der Wechsel zwischen neuen und alten Bundesländern völlig normal. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Osten des Landes gegenüber dem Westen zum ersten Mal überhaupt nach der Wende ein positives Wanderungssaldo aufweist. Das heißt: Der Osten konnte im Vergleich zum Westen Einwohner gewinnen. Maßgeblich für diese Entwicklung ist die Hauptstadt, die heute in Gänze zu den östlichen Bundesländern gerechnet wird. Aber auch Brandenburg wurde um einige Köpfe reicher.

Wie viele Menschen wandern aus?

2013 haben 797.900 Personen ihren deutschen Wohnsitz abgemeldet und die Bundesrepublik Richtung Ausland verlassen. Aber Achtung: Nur 18 Prozent davon sind auch deutsche Staatsbürger. Wahr ist also: Weit mehr Ausländer als Einheimische kehren dem Land den Rücken, sie stellen die gravierende Mehrheit der Auswanderer dar. Weshalb das so ist, geben die erhobenen Daten nicht her. Nachvollziehen lässt sich, dass Deutsche vornehmlich in die Schweiz (21.400), die Vereinigten Staaten von Amerika (13500) und nach Österreich (11.200) auswandern. Häufigstes Herkunftsland zugezogener Ausländer war im Jahr der Erhebung Polen mit 189.109 Zuwanderungen vor Rumänien und Bulgarien. Vergleichsweise viele Zuzüge gab es im Vergleich zu den Vorjahren auch aus Italien und Spanien. Die aktuellen Flüchtlingszuströme aus Ländern wie Syrien wurden in der Statistik noch nicht erfasst.

Wohin geht man zum Studieren?

In den vergangenen zehn Jahren haben sich immer mehr junge Menschen für ein Studium im Ausland entschieden. Auf 1000 Studierende kamen im Jahr 2002 noch 34 deutsche Studentinnen und Studenten im Ausland – 2012 war der Anteil fast doppelt so hoch. 138.500 Deutsche waren an einer ausländischen Hochschule eingeschrieben. Besonders beliebt waren dabei Plätze in den Nachbarländern Österreich, Niederlande, Schweiz.

Wie selbstverständlich ist Urlaub?

Nicht alle privaten Haushalte können es sich leisten, in die Ferien zu fahren. 2013 hat jeder vierte Haushalt aus finanziellen Gründen keinen Urlaub gemacht. Gefragt wurde nach mindestens einwöchigen Reisen. Am ehesten war das Geld dafür bei Paaren ohne Kinder vorhanden, 20 Prozent der Familien mit Kindern verzichteten notgedrungen. Besonders hart trifft es Alleinerziehende: In dieser Gruppe konnte fast jeder zweite das Geld für einen Urlaub nicht aufbringen.

Mit 424 Millionen gezählten Übernachtungen war die Bundesrepublik im Jahr 2014 insgesamt aber wieder ein beliebtes Urlaubsziel – sowohl für auswärtige Touristen als auch für Gäste aus dem Inland. Die meisten Besucher im Verhältnis zur Einwohnerzahl verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern. Auf jeden Mecklenburger entfielen 18 Übernachtungen. Die anderen Bundesländer erreichen bestenfalls halb so viel – Schleswig-Holstein neun pro Kopf und Berlin acht.

Wie viel Bewegung gibt es zwischen den Gesellschaftsschichten?

Mobilität ist also immer auch von der sozialen Situation abhängig – auch die sogenannte Bildungsmobilität haben die Forscher untersucht. Wie viel Bewegung herrscht zwischen den Bildungsschichten? Chancengleichheit ist faktisch noch immer nicht erreicht. „So sind die Bildungswege vieler Kinder durch den beruflichen Bildungsabschluss ihrer Eltern vorgezeichnet“, heißt es im Fazit. Mit nur sechs Prozent sind Kinder von Eltern ohne beruflichen Bildungsabschluss an deutschen Gymnasien etwa deutlich unterrepräsentiert, während 44 Prozent der Gymnasiasten aus Akademikerhaushalten kommen. Die überwiegende Mehrheit der Eltern von Realschülern haben dagegen eine Lehre oder Berufsausbildung gemacht. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2014. Verändert hat sich im Vergleich zu 2012 damit aber doch einiges: Damals hatten noch 61 Prozent aller Gymnasialschüler Akademiker-Eltern.

Wie selbstverständlich bewegen sich Deutsche im Internet?

Gut 80 Prozent aller Personen in Deutschland, die älter als zehn Jahre sind, nutzen heutzutage das Internet. Darunter Männer häufiger als Frauen (85 gegen 76 Prozent). In der Gruppe der 16- bis 74-Jährigen liegt die Nutzerquote insgesamt bei 86 Prozent und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 78. Bereits mehr als die Hälfte aller Deutschen, 45,1 Millionen, bestellten 2014 Waren im Internet. Darunter vornehmlich Kleidung.

Von denen, die sich regelmäßig im Internet bewegen, nutzten bereits 63 Prozent diese Möglichkeit mobil. Damit liegt Deutschland europaweit im Mittelfeld. In Schweden, Spanien und Irland zum Beispiel ist der Anteil weit höher. Am häufigsten gingen Menschen in Deutschland vom Smartphone aus online, wenn sie unterwegs waren. Nur jeder Dritte loggte sich von Laptop, Netbook oder Tablet ein. In 94 Prozent aller Haushalte ist ein Mobiltelefon vorhanden.

Und wie bewegen sich die Deutschen im Alltag?

Klassischerweise denkt man beim Stichwort Mobilität zunächst an Fortbewegungsmittel. Und die Statistiken zeigen: Deutschland ist nach wie vor eine Autofahrer-Nation. 69,4 Milliarden Fahrten gab es im Personenverkehr 2013 – davon wurden stolze 82 Prozent mit einem Pkw oder Motorrad zurückgelegt. Für lediglich 18 Prozent der Wege wurden öffentliche Verkehrsmittel genutzt.

„Das Auto ist mit Abstand das wichtigste Verkehrsmittel der Deutschen“, bilanziert Dieter Sarreither, Präsident des Statistischen Bundesamts. 77 Prozent aller Haushalte in Deutschland besitzen mindestens eines. Auf 1000 Einwohner kamen im Jahr 2012 bundesweit 530 Pkw. Wie Daten des Europäischen Bundesamts zeigen, ist der Anteil seit 2008 damit entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sogar wieder gestiegen. Damals kamen auf 1000 Einwohner 504 Autos, 2010 waren es noch 517.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland allerdings mitnichten Spitzenreiter. Sowohl Italien und Malta als auch Finnland und Zypern zählen mehr Autos pro Kopf. Noch verbreiteter als das Auto ist in Deutschland statistisch gesehen zwar das Fahrrad – aber es wird seltener genutzt. So legen zwei Drittel aller Befragten den Arbeitsweg mit dem Wagen zurück.

Wie viele Menschen pendeln?

In der heutigen Arbeitswelt muss man flexibel sein – tatsächlich ist die Zahl der Berufspendler aber vergleichsweise gering. Wohl, weil viele lieber gleich in die Nähe ihrer Arbeitsstelle ziehen. Etwa 70 Prozent der Erwerbstätigen brauchten 2012 weniger als eine halbe Stunde zur Arbeit. Lediglich fünf Prozent waren täglich mehr als eine Stunde unterwegs. Neun Prozent erreichen ihren Arbeitsplatz mit dem Rad, weitere neun Prozent zu Fuß. Nur 14 Prozent nutzen Bus und Bahn.

Wie viele starben im Straßenverkehr?

Die wachsende Zahl an Autos bedingt ein steigendes Verkehrsaufkommen – und nach Jahren rückläufiger Zahlen auch wieder mehr Unfälle. Im Jahr 2014 ereigneten sich in Deutschland rund 2,4 Millionen Verkehrsunfälle, dabei wurden rund 390000 Menschen verletzt. Somit stieg die Zahl gegenüber dem Vorjahr um mehr als 15000 Verunglückte an. Und mit ihr auch die der Getöteten: 3377 Menschen verloren auf deutschen Straßen ihr Leben.

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