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Politik: Steinbrück pur

Der SPD-Ministerpräsident verärgert mit seinen Zweifeln am rot-grünen Kurs den Koalitionspartner

In der morgendlichen Schaltkonferenz bat Peer Steinbrück ausdrücklich um kritische Rückmeldungen, aber dieser Hinweis war überflüssig. Die Überschriften des Wochenendes hatten die SPD-Führungsspitze aufgeschreckt, weil Zweifel am rot-grünen Kurs des Spitzenkandidaten breit thematisiert wurden. „Das war nicht glücklich“, hörte Steinbrück deshalb mehr als einmal, aber besondere Wirkung entfalteten die Hinweise der Genossinnen und Genossen bei ihm nicht. „Es geht darum, jede Stimme zu bekommen“, verteidigte er sich mit Blick auf das Wahlsystem im größten Bundesland, das jedem Bürger nur eine Stimme zubilligt.

Weil das so ist, hatte der Ministerpräsident auch bei der Eröffnung des Wahlkampfes seiner Partei am Sonnabend in Dortmund ausdrücklich darauf hingewiesen, für wen er kämpft: „Wer Steinbrück haben will, muss SPD wählen“. Unter anderem dieser Satz wurde als Kontrast zum gemeinsamen Auftritt mit den grünen Ministern am vergangenen Dienstag gewertet, als Steinbrück zugegeben hatte, dass in Nordrhein-Westfalen „die beiden Lager gegeneinander“ stehen – also Rot-Grün und Schwarz-Gelb.

Auch damals hatte er klar gesagt, dass er keinen rot-grünen Wahlkampf zu führen gedenkt. „Jede Partei betreibt Stimmenmaximierung“, hatte er neben der grünen Spitzenkandidatin Bärbel Höhn betont und auch darauf hingewiesen, „jeder konkurriert gegen den anderen“. Selbst der Satz „Koalitionen werden erst im Lichte von Wahlergebnissen gebildet“ war gefallen, aber die Macht der Bilder des gemeinsamen Auftrittes hatte er offenbar unterschätzt.

Dabei wusste Steinbrück schon damals, dass eine Pressekonferenz auch mit dem Koalitionspartner leicht falsch verstanden werden könnte. In der Staatskanzlei in Düsseldorf gibt es eine ganze Reihe von bisher vertraulich gehaltenen Umfragen. Die belegen eindeutig, dass viele ehemalige SPD-Wähler erhebliche Probleme mit dem grünen Koalitionspartner haben. Die Demoskopen haben ermittelt, dass vor allem die bildungsferneren Schichten aus dem Kreis der SPD-Sympathisanten bis heute wenig mit dem rot-grünen Bündnis anfangen können. Besonders auffällig ist dabei, dass ausgerechnet Frauen aus diesen Schichten erhebliche Aversionen gegen Rot-Grün hegen und mit einer Enthaltung liebäugeln. Andere Untersuchungen zeigen, dass besonders im Ruhrgebiet rund 55 Prozent der sozialdemokratischen Anhänger mit dem Gedanken an Enthaltung spielen, solange die SPD mit den Grünen im Ghetto bleibt.

Weil die Sozialdemokraten gegenwärtig rund 800000 Wähler zusätzlich zum Stimmenergebnis der Kommunalwahl mobilisieren müssen, um den Trend noch zu drehen, pocht Steinbrück darauf, keinen Koalitionswahlkampf zu führen. Dass das keine grundsätzliche Absage an die Grünen ist, wissen die selbst. „Ich muss die Grünen nicht verstecken“, ruft er CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers zu, der Steinbrück wegen seines unklaren Kurses angegriffen hatte, und fügt hinzu, „ob die CDU das mit Blick auf die leichtfüßige FDP so sagen kann, wage ich zu bezweifeln“.

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