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In aller Ruhe. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück blieb in Berlin vorsichtig. Foto: dpa

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Steinbrück: „Very diplomatic“

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück übt Außenpolitik und sich in einer neuen Rolle – als zurückhaltender Politiker.

Von Hans Monath

Berlin - Der erste Auftritt auf außenpolitischem Parkett seit seiner Ausrufung zum Merkel-Herausforderer endete für Peer Steinbrück (SPD) am Dienstag mit einem Zusammenstoß und einer schmerzhaften Erfahrung – allerdings keiner politischen. Der Ex-Finanzminister hatte nach seiner Teilnahme an einer Diskussion über den Aufstieg Asiens auf dem „Berliner Forum Außenpolitik“ ein Video-Interview beendet und stand gerade von einem Sofa auf, als er mit einer Studiolampe kollidierte. Mit zusammengekniffenen Augen und gefletschten Zähnen zog er den Kopf ein, um dann festzustellen, dass er sich nicht verletzt hatte.

In Deutschland und etlichen Nachbarländern eilt dem Kandidaten nicht eben der Ruf eines begnadeten Diplomaten voraus, der vorsichtig mit rohen Eiern jongliert. Der 65-Jährige gilt im Gegenteil als einer, der Eier lustvoll zerschlägt. Seiner Meinung gibt er mit drastischen Bildern Ausdruck, wie der „Heulsusen“-Vorwurf gegenüber der SPD oder die Drohung mit der Kavallerie gegenüber der Schweiz belegen. Viele Gedanken um mögliche Schäden schien er sich im Eifer des Gefechts bislang selten zu machen. Im Wahlkampf mag solche Meinungsfreude von Vorteil sein, im Kanzleramt jedoch könnte sie schnell zum Problem werden.

Auf dem Podium der Körber-Stiftung im Humboldt-Carré aber war am Dienstag ein anderer Steinbrück zu erleben. Unter scharfer Beobachtung der versammelten Berliner außenpolitischen Gemeinde übte sich der Kandidat in flüssigem Englisch vor allem in der Kunst, sich über den rasanten Wandel der Welt voll informiert zu zeigen, aber nirgendwo anzuecken und keine Fehler zu machen.

Eingerahmt wurde Steinbrück von dem indischen Wissenschaftler Brahma Chellaney, dem australischen Ex-Premier Kevin Rudd und dem Hongkonger Unternehmer Ronnie Chan, die mit freundlichen Worten einen harten Streit über die Rolle Chinas austrugen. Während der Australier und der Inder Peking brutale Interessenpolitik und Regellosigkeit vorwarfen, verteidigte der Chinese seine Großmacht geschickt: „Die USA spielen ihre Macht doch auch ständig aus. Wo bitte soll der Unterschied sein?“

Der SPD-Kanzlerkandidat und Freund westlicher politischer Werte intervenierte an diesem Punkt nicht, um den transatlantischen Partner Deutschlands zu verteidigen. Auch in der Debatte über einen außen- oder gar sicherheitspolitischen Einfluss Europas zur Eindämmung asiatischer Konflikte riet er zu strikter Zurückhaltung. Auf die Frage nach einer Rolle der EU im Falle einer militärischen Herausforderung in Asien meinte er: „Wir haben nicht die Mittel dazu, wir haben nicht den Einfluss.“ Allenfalls als historisches Vorbild für den Umgang mit Konflikten, aber nicht als handelnde Macht in Asien sieht Steinbrück die EU. Auch im Umgang mit dem heiklen Thema Menschenrechte in China blieb er eher vage und meinte lediglich: „Mit diesem Problem muss man professionell umgehen.“ Abseits der Öffentlichkeit müsse man es mit den Chinesen besprechen – und zwar „very diplomatic“ („sehr diplomatisch“).

Im Video-Interview brachte der Kandidat auch noch eine Warnung an jeden Politiker unter, der im Falle seines Wahlsiegs das Auswärtige Amt übernehmen will. In der Euro-Krise sei der Einfluss „der- oder desjenigen“ im Kanzleramt gewachsen. Merkel beherrsche „das Parkett in Europa“, meinte er. Dieser Machtzuwachs gehe einher „mit einer abnehmenden Bedeutung des Außenministers“. Es klang nicht so, als wolle Steinbrück im Erfolgsfall seinem Chefdiplomaten dann viel Spielraum lassen. Hans Monath

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