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Politik: „Steinbrücks Kurs hirnrissig“

SPD-Politiker Scheer warnt vor Bruch der Koalition in NRW

Berlin. Während die Krise der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen weiter schwelt, hat nunmehr erstmals ein sozialdemokratischer Spitzenpolitiker dringend vor einem Bruch des Regierungsbündnisses gewarnt. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel bezeichnete das Mitglied des Parteivorstands Hermann Scheer das Vorgehen von Ministerpräsident Peer Steinbrück, der die ihn tragende Koalition offen infrage stellt, als „hirnrissig“. Wörtlich sagte Scheer: „Wenn Steinbrück diesen Kurs fortfährt, so befürchte ich, dass er damit nicht nur die Stellung der SPD in Nordrhein-Westfalen ruiniert. Das Aufkündigen der rot-grünen Koalition in Düsseldorf hätte auch schwerwiegende Folgen für die gesamte SPD. Dies würde zwangsläufig auch die Axt an die Regierungsfähigkeit der SPD im Bund legen.“ Steinbrücks Kurs, so Scheer weiter „treibt die Grünen geradezu in die Arme der Union“.

Nach Ansicht von Scheer sind die Düsseldorfer Attacken auf den grünen Bündnispartner gerade auch im Zusammenhang mit der Reformagenda 2010 „lebensgefährlich“ für die Sozialdemokratie selbst. Da nämlich „der Umbau des Sozialstaates notwendig ist und da in Zukunft nicht mehr alle bisherigen Staatsleistungen aufrechterhalten werden können, muss die SPD eine zeitgerechte und problemadäquate gesellschaftliche Perspektive vertreten“. Hierzu zähle ganz wesentlich die nachhaltige Erneuerung der Marktwirtschaft, da ökologische Folgeschäden für kommende Generationen mit dem sozialen Grundanliegen der SPD nicht vereinbar seien. Dieses für die sozialdemokratische Identität essenzielle Projekt lasse sich nur mit den Grünen als Partner verwirklichen: „Hinsichtlich der Grundsatzpositionen steht niemand der SPD näher“, so Scheer. Es sei daher „falsch, die rot-grüne Koalition lediglich als Zweckbündnis zu begreifen“. Das Zukunftspotenzial von Rot-Grün sei „noch längst nicht ausgeschöpft“.

Das Ende der gegenwärtigen Düsseldorfer Koalition würde den Anfang vom Ende von Rot-Grün insgesamt markieren. „Wenn diese Perspektive fällt und sich die SPD an Rhein und Ruhr stattdessen am Arm der FDP auf eine unreflektierte wirtschaftspolitische Position der vulgären Tonnenideologie quantitativen Wachstums zurückentwickeln sollte, dann würde dies die SPD insgesamt auf lange Dauer strukturell mehrheitsunfähig machen.“ Der gegenwärtige Abwärtstrend, die labile Zustimmung in der Öffentlichkeit für die Sozialdemokratie und auch der Motivationsschwund bei der eigenen Anhängerschaft werde sich verstetigen. Steinbrück jedenfalls habe bislang nicht zu erklären vermocht, was ihn außer persönlicher Animositäten am gegenwärtigen Regierungsbündnis störe. In Sachfragen sei überhaupt nicht erkennbar, was Sozialdemokraten und Grüne angeblich trenne. „Käme es dennoch zu einem Bruch der Koalition, dann würde das niemand verstehen, und dann wäre dies unseren Anhängern nicht vermittelbar. Was aber nicht vermittelbar ist, ist als Strategie politisch absolut untauglich.“

Unterdessen hat die Führung der nordrhein-westfälischen SPD angekündigt, auf einem Sonderparteitag am 6. Juli über den Fortbestand der rot-grünen Koalition beraten zu wollen. Der reguläre Parteitag der Landes-SPD am heutigen Samstag hingegen soll sich ausschließlich mit bildungspolitischen Fragen befassen.

Peter Siebenmorgen

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