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Steinmeier: Ein bisschen Kanzler

Steinmeier macht Wahlkampf in NRW: Die Delegierten der nordrhein-westfälischen SPD hatten ihn bei ihrem Parteitag im westfälischen Halle freundlich empfangen.

Nach 20 Minuten hält der Kandidat einen kleinen Moment inne und lässt den Blick durch den Saal schweifen. Seine üblicherweise herabhängenden Mundwinkel weisen jetzt in die andere Richtung, der Gesichtsausdruck spiegelt tatsächlich so etwas wie Zufriedenheit, für den Bruchteil einer Sekunde huscht ein Lächeln über seine Lippen – als wenn er sagen wollte: „Seht ihr, ich kann es doch“. Spätestens in diesem Moment weiß Frank-Walter Steinmeier, dass er den Saal gewonnen hat.

Die Delegierten der nordrhein-westfälischen SPD hatten ihn bei ihrem Parteitag im westfälischen Halle freundlich empfangen. Sie hatten höflich geklatscht, als er mit kleiner Verspätung eingetroffen war, sie hatten sich von ihren Plätzen erhoben, als er sich neben Landeschefin Hannelore Kraft den Weg zur Bühne bahnte. Doch nicht nur Eingeweihte spüren, dass dieser Beifall eher eine Hoffnung ausdrückt, der eine oder andere raunt sich das auch hinter vorgehaltener Hand zu. „Es wäre gut, wenn er mal so richtig begeistern würde“, heißt das in deren Worten. Nicht zuletzt die Regisseure des Parteitages haben ähnliche Sorgen. Sie haben den Tagesablauf so gestaltet, dass der Kandidat möglichst gute Voraussetzungen findet. Ganz zu Beginn hat die Landesvorsitzende im größten Bundesland geredet. Franz Müntefering darf erst am Ende des Tages ans Mikrofon, seine Auftritte vor den Parteifreunden sind legendär, deshalb soll er möglichst außer Konkurrenz zum Kandidaten laufen.

Natürlich weiß Frank-Walter Steinmeier das alles, er hat sich gut vorbereitet. Zu Beginn grüßt er die sozialdemokratische Amtsinhaberin auf dem Oberbürgermeisterposten in Halle, er wünscht ihr für die Kommunalwahl viel Glück und attackiert fast beiläufig Jürgen Rüttgers – wegen seines angeblich mangelnden Einflusses in Berlin. „Der wird von der Bundespartei so ernst genommen wie ein Eimer Luft“, röhrt Steinmeier in den Saal und erinnert an Rüttgers’ Niederlage bei den Jobcentern, als die CDU/CSU-Fraktion den vom NRW-Ministerpräsidenten ausgehandelten Kompromiss kippte.

Aber Steinmeier hält sich nicht lange mit Rüttgers auf. Der SPD-Kanzlerkandidat hat sich heute die Kanzlerin selbst als Angriffsziel ausgesucht. Er attackiert seine Kabinettschefin für ihre Worte anlässlich der Hannover-Messe, als sie voraussagte, dass die Wirtschaftslage ab Herbst wieder besser werde. „Wir dürfen den Menschen nichts vormachen“, hält Steinmeier dagegen. Anschließend listet er eine ganze Reihe von Wohltaten auf, die für sozialdemokratische Ohren betörend wirken. Er will die Banker an die Kette legen, gemeinsam mit Peer Steinbrück dafür sorgen, dass möglichst wenig von den Lasten der Krise bei den Steuerzahlern hängen bleibt. „Die Banken müssen das zurückzahlen, notfalls in den nächsten zehn Jahren“, ruft er aus und an solchen Stellen klatschen sie so, dass er sich wieder diesen zufriedenen Gesichtsausdruck leisten kann.

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