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Antrittsbesuch. Außenminister Steinmeier (links) machte Brüssel zum Ziel seiner ersten Auslandsreise im Amt – dort traf er EU-Ratschef Van Rompuy.

© dpa

Steinmeier in Brüssel: Mehr Europa wagen

Im Umgang mit Brüssel will sich Steinmeier von seinem Amtsvorgänger Westerwelle absetzen. Nach dem Willen des neuen Außenministers sollen Berlin und die EU-Organe künftig stärker kooperieren.

Alle, die in Brüssel etwas zu sagen haben, machten es irgendwie möglich. Und so trifft der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier in knapp 24 Stunden Kommissionschef José Manuel Barroso, den Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, die Außenbeauftragte Catherine Ashton, mehrere Kommissare und seinen Parteifreund Martin Schulz, den Präsidenten des Europaparlaments. Das darf getrost so interpretiert werden, das die EU-Organe mit dem Chefwechsel im Auswärtigen Amt gewisse Hoffnungen verbinden.

Geknirscht hat es zuletzt häufig. Ob Bankenunion, Pkw-Maut, Erneuerbare-Energien-Gesetz, CO2-Obergrenzen für Autos oder sogenannte Armutseinwanderung: Allzu oft hieß es „Brüssel gegen Berlin“.

Steinmeier verkündet bei seinem Antrittsbesuch keinen Kurswechsel, schließlich ist seine Regierungschefin, die alte und neue Bundeskanzlerin, nicht zuletzt für ihren Kurs in der Euro-Krise wiedergewählt worden. Der Ton aber ist wohl ein anderer als unter Schwarz-Gelb. Dass ihn seine erste eigene Auslandsreise nach Brüssel geführt habe, sei „keine Zufälligkeit des Terminkalenders“, sondern vielmehr „ein Statement“. Und dann legt Steinmeier eine Art Glaubensbekenntnis der neuen Bundesregierung ab: „Europa ist für uns keine Option unter vielen, sondern eine Lehre aus der deutschen Geschichte und eine Zukunftshoffnung.“

Besonders gern hören die Gesprächspartner, dass der Sozialdemokrat nicht nur den Dialog mit den kriselnden Südländern intensivieren will, wie der direkte Weiterflug nach Athen nahelegt, sondern auch die Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen „verdichten“ und den „Kontakt zur Kommission verstärken“ möchte. Anders als bei seinem Vorgänger Guido Westerwelle soll es auch nicht bei nur einer Visite im Europaparlament bleiben, der Besuch bilde lediglich den „Auftakt“ einer stärkeren Präsenz.

Im Gespräch mit Parlamentspräsident Schulz ging es nach Angaben von Teilnehmern vorrangig um die „atmosphärischen Störungen“, die sich nicht zuletzt bei der Europawahl mit hohen Stimmanteilen für EU-Kritiker und Europagegner niederschlagen könnten. Steinmeier will sich im bevorstehenden Wahlkampf und danach dafür einsetzen, „dass der europäische Gedanke im Dauermanagement der Krise nicht verloren geht“. Gerade in Deutschland dürften Währungsunion und Binnenmarkt nicht immer nur als Belastung diskutiert werden, sondern als „große Entwicklungschancen für die deutsche Wirtschaft“.

So viel Engagement mag Steinmeiers Überzeugung entspringen – eine machtpolitische Komponente gibt es auch. Das Auswärtige Amt wurde im Zuge des von Kanzleramt und Finanzministerium organisierten Euro-Krisenmanagements in Europafragen in den Hintergrund gedrängt. Da sie mit Angela Merkel und Wolfgang Schäuble in CDU-Hand bleiben, muss der SPD-Mann Steinmeier mehr europapolitisches Profil entwickeln als der FDP-Vorgänger Westerwelle, um dem etwas entgegenzusetzen.

Dafür hat Steinmeier für seine zweite Amtszeit an der Spitze des Auswärtigen Amtes bereits zwei personalpolitische Weichen gestellt. Schäubles Sprecher Martin Kotthaus, nach langen Jahren an der deutschen EU-Vertretung in Brüssel ein ausgewiesener Europamann, steht künftig der Europaabteilung am Werderschen Markt vor. Einer der beiden Staatssekretäre wird Markus Ederer, bisher EU-Botschafter in Peking.

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