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© dpa

Steuerdaten-CD: Kommissar und Ganoven

Der designierte EU-Kommissar Günter Oettinger will bald nach Brüssel – vorher droht aber noch Kabinettskrach wegen der Steuerdaten-CD.

Noch ein paar Abschiedstermine, ein paar Akten abzeichnen und dann ab nach Brüssel. Ministerpräsident Günther Oettinger, der morgen vom EU-Parlament als neuer Kommissar bestätigt wird, hatte seit seiner Nominierung Ende Oktober 2009 vor allem eines im Sinn: den geräuschlosen, glatten Übergang im Land auf seinen Nachfolger, den CDU-Fraktionsvorsitzenden Stefan Mappus, am Mittwochvormittag zu organisieren.

Und jetzt das: Seit Freitag spätnachmittags überschlagen sich die Nachrichten. Hektisch beruft Oettinger nach entsprechenden Medienberichten für Montagabend eine außerordentliche Kabinettssitzung ein. Auch Baden-Württemberg seien neue Daten zu Steuerhinterziehungen aus der Schweiz angeboten worden. Oettinger, der, wie versichert wird, davon nichts wusste, will sich offenkundig nicht nachsagen lassen, unbearbeitete Baustellen hinterlassen zu haben. „Beraten wird das Kaufangebot von Daten potenzieller Steuersünder, das dem Land vorliegt“, teilt das Staatsministerium um 19.28 Uhr lapidar mit.

Doch schon am Samstag erreicht Oettinger die dringliche Bitte von Mappus wie von dessen Noch-Kollegen Hans-Ulrich Rülke (FDP), von der Kabinettssitzung Abstand zu nehmen: Keine 48 Stunden vor der angesetzten Wahl von Mappus im Landtag soll alles vermieden werden, was nach Uneinigkeit in der Koalition aussehen könnte. Dass es in der Frage des Ankaufs illegal gewonnener Bankdaten reichlich Dissens gibt, macht Justizminister Ulrich Goll (FDP) von Stund an deutlich: „Ich mache einen solchen Deal mit Ganoven nicht mit, nur um an Kohle ranzukommen“, sagt der stellvertretende Ministerpräsident. Denn: „Es heiligt nicht jeder Zweck jedes Mittel.“ Der Liberale sieht sich an seinen Amtseid gebunden, das Recht zu wahren und zu verteidigen. Wie aber solle das gehen, wenn „wir auf solch schwankendem Boden Denunziantentum prämieren“? Sofern auch nur „ein illegaler Abschnitt“ auf dem Weg festzustellen sei, auf dem die in Rede stehenden Daten von 1700 Bank- und Versicherungskunden über das Finanzamt Freiburg dem Land zugespielt wurden, will Goll sein Veto einlegen.

Dagegen ist Finanzminister Willi Stächele (CDU) bereit, 500 000 Euro aus seiner schwach gefüllten Kasse zu nehmen, um erwartete sieben Millionen Euro, wie man im Ministerium schon mal hochgerechnet hat, einzunehmen. Eine Hintertür lässt sich der Südbadener, der intern auch schon mal Bedenken geäußert haben soll, aber offen: „Rechtsstaatlich konform“ sollte der Ankauf schon sein. Wann Stächele, an dem schon manches im Ressort vorbeigelaufen ist, vom Vorgang erfahren hat, dürfte nicht nur Mappus interessieren. Klar ist, dass vor Jahresfrist bereits „einige wenige Stichproben“, wie Stächeles Sprecher sagt, angeliefert wurden, und Anfang letzte Woche „erhebliche Datenmengen“.

Manches spricht dafür, dass die Informationen über die heißen Daten Mappus spätestens am vergangenen Freitagmorgen erreicht haben. Anders nämlich ist schwer verständlich, warum der CDU-Noch-Fraktionschef zu diesem Zeitpunkt händeringend versuchte, einen SPD-Antrag, der generell Steuerdatenankäufe guthieß, als unzulässig zu verhindern. Die Opposition, nicht gerade verwöhnt mit Siegen, brachte bei ausgedünnter Anwesenheit 41 Ja-Stimmen gegen 25 Nein-Stimmen zusammen. Das Gros der CDU-Parlamentarier enthielt sich. Unter denen, die mit Nein votierten, war nicht nur Stefan Mappus, sondern auch Staatsminister Wolfgang Reinhart. „Ich habe Vorbehalte“, sagt er später. „Wie weit soll sich denn der Staat zum Kompagnon und Provokateur ständig neuer Straftaten machen?“ Aber auch Reinhart weiß nicht, wie man in Baden-Württemberg das Dilemma letztlich politisch-strategisch löst. „Wir sind ja nicht die Ersten, die entscheiden.“

Auch Mappus wird wenig Interesse haben, Bundeskanzlerin Angela Merkel gleich zum Amtsantritt zu brüskieren. Zumal es auch im Land Befürworter des Datenankaufs gibt: „Wer Steuern hinterzieht, hat keinen Anspruch auf Datenschutz“, tönen die Sozialausschüssler. Bei den Liberalen, die zunächst aus Angst, erneut der Klientelpolitik geziehen zu werden, ziemlich still geblieben sind, scheint der Widerstand dagegen härter zu werden: „Entsetzt“ sind auch die Landes-Julis: „Der Staat darf sich zur Bekämpfung von Unrecht nicht selbst auf dessen Seite stellen.“

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