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Steuerdaten-CD: Schäubles Gutachten: Geklaute Bankdaten nicht schutzwürdig

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sein zentrales Rechtsgutachten zum umstrittenen Ankauf im Ausland gestohlener Bankdaten deutscher Anleger durch hiesige Behörden vorgelegt.

Berlin - Im Ergebnis haben sich dem Rechtsgutachten zufolge weder ausländische Informanten noch deutsche Beamte strafbar gemacht, auch könnten die Daten in Gerichtsverfahren als Beweismittel verwendet werden. „Es existiert keine gesetzliche Norm, die den Erwerb von steuerlich und steuerstrafrechtlich relevantem Informationsmaterial gegen Entgelt verbietet, unbeschadet dessen, auf welche Weise der Informant selbst an dieses gelangt ist“, heißt es darin wörtlich.

Bundesregierung und Landesregierungen waren Anfang 2010 dafür kritisiert worden, eine in der Schweiz entwendete Steuerdaten-CD für 2,5 Millionen Euro gekauft zu haben. Schäuble hatte das Gutachten zurückgehalten, weil es für die laufenden Ermittlungsverfahren eine Rolle spiele und eine Veröffentlichung die Beziehungen zur Schweiz gefährde. Erst nach einer Klage des Tagesspiegels nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat es der Minister im Zuge eines Vergleichs vor dem Berliner Verwaltungsgericht vergangene Woche herausgegeben. Schäuble hatte den Kauf zuvor stets als „rechtlich vertretbar“ bezeichnet, seine Position jedoch nie genauer begründet. Die Regierung habe „umfangreiche Prüfungen vorgenommen“, hieß es nur.

Tatsächlich hat es diese Prüfungen wohl nie gegeben, jedenfalls nicht im Ministerium. Schäubles juristische Stellungnahme stammt von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm und erläutert auf 19 Seiten die rechtlichen Fragen anhand der „Liechtenstein-Affäre“, die unter anderem zum Verfahren gegen den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel geführt hatte. Schäuble hatte betont, dass es sich beim Ankauf der Schweizer Daten um einen „sehr ähnlichen Vorgang“ handele.

Dem Gutachten zufolge kann sich der Informant auf einen „rechtfertigenden Notstand“ berufen, weshalb die Datenweitergabe nicht als „Geheimnishehlerei“ strafbar sei – und wenn, dann nur als „untauglicher Versuch“. Der Handel von „Informationen gegen Geld“ sei dem Strafverfahren nicht fremd, er finde sich etwa bei der Belohnung von Zeugen. Das Interesse der Bank an „illegalen Geheimnissen“ sowie das Interesse der beschuldigten Steuerhinterzieher an der Geheimhaltung dieser Daten sei – auch angesichts der Größenordnung der Geldanlagen und der daraus resultierenden „schweren“ Fälle – nicht schutzwürdig. „Nach objektiven Maßstäben ist daher ein deutliches Übergewicht der mittels Geheimnisverrat geschützten Interessen anzunehmen“. Deutsche Amtsträger handelten demnach nicht unbefugt, wenn sie die Daten kauften, sie hätten auch keinen Vorsatz zu einer strafbaren Beihilfe. Im Übrigen sei fraglich, ob der Datenklau vom Schutzbereich des deutschen Strafrechts überhaupt erfasst werde.

Anlass für das Gutachten mit Datum vom April 2008 hatten zwei Fachaufsätze der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ gegeben. Die Verfasser, der Direktor am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Ulrich Sieber, und der Freiburger Steuerstrafrechtler Gerson Trüg, hatten den amtlichen Zugriff kritisiert. Schäubles Gutachten aus Hamm könne jedoch „nicht überzeugen“, sagte Anwalt Trüg dem Tagesspiegel am Dienstag. „Betrachtet man die Argumentationslinie der Generalstaatsanwaltschaft, fällt auf, dass Argumente herangezogen werden, die in sonstigen Verfahren durch die Strafjustiz nahezu durchgängig abgelehnt werden.“ Trüg nennt es überraschend, dass von Schäuble keine unabhängigen Experten mit dem Gutachten betraut gewesen seien, sondern Staatsanwälte, die „von Amts wegen mit der konkreten Fallbearbeitung befasst werden“ könnten.

Der Ankauf von Steuerdaten ist für den Fiskus ein Millionen-, vermutlich sogar ein Milliardengeschäft. Auf der Schweizer Steuerdaten-CD befinden sich 1100 Datensätze, allein die Staatsanwaltschaft Düsseldorf führt 180 Verfahren, von denen aber noch keines rechtskräftig abgeschlossen ist. Nach Auskunft der Oberfinanzdirektion Rheinland haben sich seit Bekanntwerden des Datenkaufs bis heute rund 5800 steuerflüchtige Anleger in Nordrhein-Westfalen selbst angezeigt.

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