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© dpa

Steuerdebatte: "Ober sticht Unter“

Der CSU-Chef treibt die Kanzlerin an – auch hinter der Steuerforderung von Glos steckt letztlich Seehofer.

Von Robert Birnbaum

Berlin – Wenn ihn heutzutage einer aus dem Schlaf aufwecken würde, sagt Michael Glos, und würde ihm „Parole!“ ins Ohr brüllen, dann wär’ für ihn die Antwort sowieso klar: „Steuersenkung!“ Michael Glos ist erstens Bundeswirtschaftsminister, zweitens aber in der CSU. Deren Chef Horst Seehofer trompetet die Parole inzwischen derart laut und täglich übers Land, dass seine Berliner Statthalter ja auch taub sein müssten, wenn sie sie noch nicht vernommen hätten. Am Donnerstag zeigt die Parole Wirkung, Glos hat sie zu einer Zahl konkretisiert: Um die Konjunktur zu stützen, fordert der Wirtschaftsminister, müssten die Steuern ab 1. Januar massiv gesenkt werden – und zwar um 25 Milliarden Euro.

Wem bei dieser Summe kurz die Luft weg bleibt, den verweist der Minister ungerührt auf das internationale Umfeld: Deutschland, sagt Glos, werde ja von den USA bis Großbritannien als Verweigerer hingestellt. „Deshalb ist es schon richtig, dass man mit großen Zahlen kommt.“

Allerdings darf man bezweifeln, dass die große Zahl in Richtung weite Welt zielt. Schon die Tatsache, dass Glos und der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sie in der bayerischen Landesvertretung verkünden, lässt auf innenpolitische Motive schließen. Glos hat seinen Vorschlag denn auch seinem Chef Seehofer zugeschickt. Er soll als Anregung für das Gespräch dienen, bei dem Seehofer die CDU-Vorsitzende Angela Merkel vor der Koalitionsrunde am 5. Januar auf gemeinsamen Unionskurs bringen will. Genauer gesagt: Auf seinen, Seehofers, Unionskurs. Einen Kurs inklusive Steuersenkungen. Sonst, hat Seehofer schon gedroht, bleibe er am 5. Januar einfach zu Hause. Und frühere Erfahrung lehrt, dass er sehr zäh zu Hause bleiben kann.

In der CDU schnappen sie schon seit Tagen hörbar nach Luft, wenn der tägliche Seehofer durch die Nachrichten dröhnt. Dass der CSU-Chef mächtig wirbelt, um die Wahlniederlage seiner Partei vergessen zu machen, dass er sich dabei des altbewährten Mittels bedient, Schaukämpfe mit der großen Schwesterpartei abzuziehen – dafür dürfte selbst Merkel taktisches Verständnis haben. Aber die Dauerbeschallung aus München nervt. „Die müssen sich doch auch langsam mal überlegen, wie sehr sie der Glaubwürdigkeit und dem Ansehen der gesamten Union schaden“, sagt einer aus der CDU-Führung.

Doch diese Hoffnung dürfte vorerst vergebens sein. Erstens laufen dafür zu viele Christsoziale mit glänzenden Augen umher und berichten, wie gut Seehofer in Bayern überall ankomme. Zweitens kommt zu den glänzenden Augen eine sehr nüchterne Abschätzung. „Wir können das gar nicht verlieren“, sagt ein führender Christsozialer. Merkel könne Seehofer nicht stoppen – die Kanzlerin brauche die CSU für ihre Wiederwahl, Bayern hingegen brauche den Bund bis dahin für gar nichts. Überdies werde die Bundesregierung so oder so etwas tun gegen den Konjunktureinbruch. Und dann könne sich Seehofer aussuchen, ob er „Endlich!“ ausrufe oder „Reicht nicht!“.

Was das Letztere angeht, besteht allerdings auch in der CSU Abstimmungsbedarf. Glos’ – übrigens schon etwas ältere – Idee, den Grundfreibetrag von 7664 auf 8000 Euro anzuheben und den für die „kalte Progression“ verantwortlichen „Mittelstandsbauch“ im Steuertarif komplett glattzubügeln, kommt weit teurer als das, was selbst seinem Chef als Sofortentlastung vorschwebt. Zehn Milliarden Euro nannte Seehofer in Brüssel, wo er als CSU-Chef an der Eurogipfel-Vorbesprechung der Europäischen Volkspartei teilnahm. Aber Glos ist eh nur das Vorprogramm für den Vorsitzenden. „Ober sticht Unter“, und nicht nur beim Schafkopf-Kartenspiel, räumt Glos selber ein. Am Freitag hat sich Seehofer selbst in seiner Berliner Vertretung angesagt. Beim Gedanken an den Auftritt kriegen sie in der CSU schon wieder glänzende Augen.

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