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Herr über die gern gezahlten Steuern: Olaf Scholz, SPD-Bundesfinanzminister.

© dpa

Steuermoral: Die geldwerte Übertreibung

Die Meldung, die Deutschen seien überzeugte Steuerzahler, ist hübsch. Aber Akzeptanz mit Zustimmung zu verwechseln, ist schon ziemlich kühn. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

Bei der Nachricht müssen dem Bundesfinanzminister die Freudentränen in die Augen gestiegen sein: Die Deutschen zahlen gern Steuern. In kaum einem anderen Land sei die Akzeptanz des Steuersystems so hoch, meldete jüngst das Basel Institute of Commons and Economics. Das Institut hatte nachgefragt, ob die Bürger für die großen Ziele der Menschheit – Gesundheit, Bildung, sauberes Wasser, Umwelt – Steuergeld ausgeben würden. Die meisten Befragten aus Deutschland finden das richtig. Andererseits: Wer ist schon gegen sauberes Wasser, Bildung, Umwelt? Und: Die Bürger wurden ja nicht gefragt, ob sie mehr Steuern zahlen wollen.
Der Bund der Steuerzahler befragt die Bürger ebenfalls immer wieder zum Steuersystem. Zwar akzeptieren die Deutschen auch in seinen Umfragen, dass sie nach ihrer Leistungsfähigkeit zum Gemeinwohl beitragen sollen. Doch regelmäßig klagt eine überwältigende Mehrheit, dass der Staat mit dem Steuergeld nicht gut umgeht. Verschwendung, Gleichgültigkeit, gelegentlich sogar krasse Unfähigkeit im Umgang mit öffentlichem Geld prangert auch der Bundesrechnungshof jährlich an. Es ändert sich aber nichts.

Der Staat sollte den Bürgern Geld zurückgeben

Das Gemeinwohl-Bewusstsein ist in Deutschland nicht viel größer als woanders. Kontrollen und Strafen sind hier nur viel schärfer. Der Fall des früheren Postchefs Klaus Zumwinkel nach dem Ankauf von Steuer-CDs durch die Finanzbehörden, und die Gefängnisstrafe für den Fußballmanager Uli Hoeneß haben auch die letzten Steuervermeider begreifen lassen, dass die Schlupflöcher kleiner und die Sanktionen härter werden. Das ist richtig so. Nur: Akzeptanz mit Zustimmung zu verwechseln, ist schon ziemlich kühn. Damit Menschen gern Steuern bezahlen, muss der Staat mit dem eingesammelten Geld tatsächlich zum Wohle aller umgehen. Wenn er mehr Einnahmen hat, als er zur Erledigung seiner Aufgaben braucht, muss er den Bürgern das Geld zurückgeben. Davon ist der deutsche Steuerstaat weit entfernt. Insofern ist die Meldung, die Deutschen seien überzeugte Steuerzahler, zwar hübsch. Aber sie ist stark übertrieben.

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