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Steuern: Geldwerter Nachteil

Sie bringt dem Staat jährlich drei Milliarden Euro - heimlich gewissermaßen. Denn die "kalte Progression" ist eine versteckte Steuererhöhung. Schwarz-Gelb wollte sie lindern, Rot-Grün im Bundesrat machte nicht mit. Nun könnte sie zum Wahlkampfthema werden.

Berlin - Für FDP und Union ist die Zahl eine Patrone für den Wahlkampf: Etwa drei Milliarden Euro macht die „kalte Progression“ bis 2014 jedes Jahr an Mehreinnahmen für den Staat aus, ohne dass Steuersätze erhöht werden müssen. Das hat nun das Bundesfinanzministerium auch offiziell mitgeteilt – auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Axel Troost. Die heimliche Steuererhöhung, wie der Effekt auch genannt wird, trifft vor allem Mittelverdiener. Das Phänomen bedeutet, dass ein Arbeitnehmer mit jeder Gehaltserhöhung in eine etwas höhere Besteuerung hineinwächst. Auch der Teil der Gehaltserhöhung, der nur dem Inflationsausgleich dient (also real gar kein Zuwachs ist), fällt darunter. Am Ende kann es dazu kommen, dass höhere Steuer und Geldentwertung den Einkommenszuwachs auffressen. Daher wäre es eigentlich geboten, den Steuertarif regelmäßig der Preissteigerung anzupassen, um die kalte Steuererhöhung zu vermeiden.

Die schwarz-gelbe Koalition hatte das im vorigen Jahr auch vor. Nicht nur der Grundfreibetrag sollte inflationsbedingt erhöht werden (das hat das Bundesverfassungsgericht verlangt), auch der Spitzensteuersatz von 42 Prozent sollte später greifen als bei der aktuellen Untergrenze von 52 882 Euro. Letzteres scheiterte allerdings im Bundesrat, weil vor allem die rot-grün regierten Länder nicht mitmachen wollten.

Seither gilt die „kalte Progression“ in Union und FDP als potenzielles Wahlkampfthema. Die Weigerung von Rot-Grün, etwas gegen die kalte Progression zu tun, sei nur ein „Vorgeschmack auf die fatalen Auswirkungen rot-grüner Steuererhöhungen“, sagte der liberale Finanzpolitiker Volker Wissing.

SPD und Grüne halten dagegen, dass ihre Steuerpläne – im Kern ein höherer Spitzensteuersatz – die Mittelverdiener kaum träfen. Mehr Steuern zahlen demnach nur jene, die jährlich mehr als 60 000 Euro (Grüne) oder 64 000 Euro (SPD) verdienen. Das entspricht einem Monatsbrutto von 5000 beziehungsweise gut 5300 Euro. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) sagte allerdings der „Rhein-Zeitung“, die SPD-Länder könnten das Vorgehen gegen die heimlichen Steuererhöhungen unter Umständen doch unterstützen. Im Gegenzug müssten Länder und Kommunen aber für Einnahmeausfälle entschädigt werden.

Dass die Belastung der Mitte nach Jahren realer Einkommensrückgänge bei vielen Beschäftigten ein Wahlkampfthema sein wird, hat auch die Linke erkannt. Auch sie wirbt damit, dass sie die Mitte nicht belasten will. Troost sagt, seine Partei wolle die Einkommensteuerbelastung gerechter verteilen. Unter anderem wollen die Linken einen linearen Verlauf der Steuersätze, was untere und mittlere Einkommen entlastet, und sie wollen den „Tarif auf Rädern“: Die Steuersätze sollen demnach regelmäßig der Preisentwicklung angepasst werden. Eine Forderung übrigens, die auch der Bund der Steuerzahler und das arbeitgebernahe Institut der Wirtschaft erheben. „Wer weniger als 5700 Euro im Monat zu versteuern hat, muss nach dem Steuerkonzept der Linken weniger Steuern bezahlen“, rechnet Troost vor. Albert Funk

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