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Steuerpolitik: Reform ohne Veränderung

Steuerpolitik in Zeiten hoher Schulden und Abgaben: Die FDP drängelt, die Länder blocken, Union und SPD suchen Auswege.

Berlin - Die Hoffnung lebt noch. Nachdem die FDP am Freitag erfahren musste, dass selbst eher geringfügige Entlastungs- und Vereinfachungsschritte bei den Steuern mit den anderen Parteien nicht zu machen sind, soll nun ein Vermittlungsverfahren noch ein wenig retten vom kleinen Gesetzeswerk der Koalition, das mehr ein gelbes als ein schwarzes Anliegen ist. Ob aber die Bundesregierung nach dem Scheitern des Steuervereinfachungsgesetzes im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft, ist gar nicht sicher. Und selbst wenn die Union der FDP den Gefallen tut, wird sie sich kaum dafür verkämpfen, dass etwa der Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 auf 1000 Euro steigt. Weshalb FDP-Chef Philipp Rösler wohl auch die Devise nachlegte, man müsse nun im Herbst in der Koalition ein „seriöses Konzept“ für die Steuerpolitik entwickeln. Es klingt wie der Wunsch nach Zeitgewinn.

Denn CDU, CSU und SPD – als die Staatsparteien, die sie sind – können Steuerentlastungen nicht brauchen, weil sie angesichts der horrenden Schulden der Etatkonsolidierung Vorrang geben, ohne bei den Ausgaben allzu sehr kürzen zu müssen. Ob Soziales, Wirtschaftsförderung, Beamtenbesoldung – sie möchten Einschnitte hier weitgehend vermeiden. Steuersenkungen aber würden den Druck erhöhen, die staatlichen Ausgaben zu senken. Da die FDP angesichts ihres Umfragetiefs mittlerweile als vernachlässigbarer Wert gilt, bewegen sich Union und SPD in der Steuer- und Etatpolitik auf eine informelle Koalition zu, die sogar eine formelle ab 2013 vorbereiten könnte (für den Fall, dass es nicht zu Rot-Grün kommt).

Im Bundesrat wirkt diese Allianz schon längst, weil schwarze wie rote Ministerpräsidenten sich festgelegt haben, Belastungen ihrer Landesetats durch Bundesgesetze so weit als möglich zu verhindern. Am liebsten also ganz. Weshalb sich jeder Steuersenkungspolitik eine Neinsagerphalanx im Bundesrat entgegenstellen wird. Zumal Schwarz-Gelb dort keine Mehrheit hat, was den Unions-Fürsten Freiräume gegenüber der Parteiführung verschafft. Ein Hauptargument ist die Schuldenbremse, die Landeshaushalte sind weniger flexibel als der Bundesetat, die Steuerautonomie der Länder ist nur noch ein Schattenwesen, die Westländer beginnen unter den Beamtenpensionen zu ächzen – kurzum: Steuerreformen wird es mit den Ländern nur noch geben, wenn weitgehend kompensiert wird. Also zu Lasten des Bundes. Das Motto lautet zunehmend: Wenn der Bund etwas will, dann soll er doch schauen, wie er es ohne uns schafft.

Eine Frage, die man in den Bundesministerin und den Bundestagsfraktionen nicht gern hört. Denn seit Jahrzehnten hat man alles immer schön kooperativ gemacht, die Länder waren an den Steuerausfällen (und auch den Mehreinnahmen) stets beteiligt, aber der Wille zur Kooperation könnte nun erlahmen, da es nur noch darum geht, die Etats einigermaßen im Lot zu halten. Ohne das Wegdrücken von Lasten auf die Länder aber werden steuerpolitische Entlastungs- und Umbaupläne für den Bund weitaus teurer als bisher. Und die Spielräume sind nicht mehr groß, wenn man mit Veränderungen der Einkommensteuer bei den Ländern nicht weiterkommt. Da wären zwar noch einige kleinere Steuerarten. Die Kaffeesteuer etwa, aber die hat nur ein Volumen von einer Milliarde Euro, und die Teetrinker würden nicht entlastet. Die anderen Bagatellsteuern werden zudem mittlerweile fast nur noch auf Alkoholika (Branntwein, Sekt, Alkopops) erhoben, weshalb eine Abschaffung die Moralpolitiker und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung auf den Plan rufen würde.

Bleibt also der Solidaritätszuschlag, eine große Hoffnung der FDP. Nach einer Emnid-Umfrage können sich auch gut 60 Prozent der Bürger vorstellen, dass er ausläuft. Eine direkte Ostförderung versteckt sich darin schon lange nicht mehr, eher ist er als Einnahme zum Tilgen der Vereinigungsschulden zu verstehen. Da nun aber auch 70 Prozent der Bürger der Haushaltskonsolidierung Vorrang geben (Umfragen bringen gern etwas widersprüchliche Ergebnisse), haben die Verteidiger des „Soli“ auch ihr demoskopisches Argument.

So wird sich die Union in der Steuerpolitik mehr nach der SPD als der FDP richten. Eine gemeinsame Linie könnte es hier bei Korrekturen der Steuerprogression geben, die nötig sind. Leichte Entlastungen bei Mittelverdienern würden auch der SPD gefallen, denn Facharbeiter gehören in diese Gruppe. Die Gegenfinanzierung – damit der Staat kein Minus macht – dürfte über einen höheren Spitzensteuersatz erfolgen. Das machen auch die Länder mit. Und die FDP wäre notgedrungen ebenfalls dabei. Eine größere Steuerentlastung aber hätte sich dann vorerst erledigt.

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