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Steuerreform: FDP: Abgestufte Zufriedenheit

Im Bundestagswahlkampf hat die FDP eine radikale Steuerreform mit nur noch drei Stufen propagiert. Jetzt haben die Liberalen ihre Pläne vorgestellt. Was ist von den Ankündigungen geblieben?

Von Antje Sirleschtov

„Steuerreform light“, oder gar „Wortbruch“: Mit solchen Bezeichnungen über ihr steuerpolitisches Konzept wollen die Spitzenliberalen nichts zu tun haben. Schon während der Koalitionsverhandlungen, beteuern der Finanzexperte Hermann-Otto Solms und der NRW-Vorsitzende und Vizeparteichef, Andreas Pinkwart, an diesem Dienstag in Berlin, hätten sie gesagt, dass ihre große Steuerreform (35 Milliarden Euro Entlastung) nicht in einem Schritt umzusetzen sei. Und auch die Zusage, die Bürger und Unternehmen bereits 2011 zu entlasten, stamme „von der Union“ und nicht von der FDP, sagen beide. Ja, nicht einmal das nun geplante Entlastungsvolumen von 16 Milliarden Euro sehen sie als „Einknicken vor der Realität“ an. Dass sämtliche Spitzenpolitiker von Union und FDP zum Jahreswechsel noch von 19,5 Milliarden Euro gesprochen hatten, bezeichnen sie als „andere Art zu rechnen“. Auf 16 Milliarden käme man, wenn man die bereits umgesetzten Steuerentlastungen des 2010 in Kraft getretenen Wachstumsbeschleunigungsgesetzes einrechne. Allerdings nur, wenn man die Unternehmensentlastung als Teil der gesamten Steuerentlastung berücksichtigt.

Kommenden Montag will die FDP-Führung ihre steuerpolitischen Leitlinien im Präsidium verabschieden, am Wochenende danach soll der Bundesparteitag in Köln darüber beschließen. „Leistung muss sich immer lohnen“ steht darüber und in den Verhandlungen mit den Koalitionspartnern will die FDP eine Senkung der Einkommensteuern ab 2012 von 16 Milliarden Euro durchsetzen. Vorgesehen ist nicht mehr der von Solms anstelle des geltenden linearen Tarifs entwickelte Drei-Stufen-Tarif mit Stufen von zehn, 25 und 35 Prozent sondern jetzt schlagen die Liberalen fünf Stufen vor: 14-25-35-42-45.

Entlastet wird danach jeder Einkommensbezieher, auch Spitzenverdiener. Zwar beteuern Solms und Pinkwart, Entlastungen soll es ausschließlich für Jahreseinkommensbestandteile bis 53 000 Euro geben. Allerdings trifft das auch für die Hälfte der „Bestandteile“ des Einkommens bei all jenen zu, die zum Beispiel 100 000 Euro zu versteuern haben. Der Blick auf die Kurve der Durchschnittsbelastung zeigt die Entlastung über die gesamte Einkommensbandbreite.

Keinen Zweifel lassen Solms und Pinkwart daran, dass sie die Ziele, die Mittelschicht von der Wirkung der „kalten Progression“ zu verschonen und den so genannten Mittelstandsbauch im Steuersystem abzuflachen, erreicht haben. Zumindest Ersteres – gibt Solms zu – werde erst dann nachhaltig umgesetzt, wenn sich der Gesetzgeber dazu bereit erklärt, alle zwei Jahre den Steuertarif inflationsbedingt zu bereinigen. Das jedoch steht weder im Koalitionsvertrag noch hat es in den vergangenen 60 Jahren eine solche Entscheidung gegeben.

Den Vorwurf, sie würden die Steuern auf Pump finanzieren und damit den Schuldenberg weiter auftürmen, wollen die FDP-Strategen keinesfalls auf sich sitzenlassen. Deshalb legen sie Vorschläge für die Gegenfinanzierung der Steuerentlastungen vor. Hauptziel ist ein Subventionsabbau. Konkreter wird es nicht. Das müsse in der Koalition verhandelt werden. Einzig eine Beschleunigung des Ausstieges aus dem Steinkohlenbergbau auf 2012 statt 2018 schlägt Pinkwart vor.

Dafür kalkulieren die Liberalen „Selbstfinanzierungseffekte“ von insgesamt 5,5 Milliarden Euro im Jahr ein. Zum einen, weil sie annehmen, dass mit dem neuen Steuerrecht mehr Jobs geschaffen und dann mehr Steuern gezahlt werden. Zum anderen, weil man zu wissen glaubt, dass die Menschen 30 Prozent des durch die Steuerreform eingesparten Geldes gleich wieder ausgeben, was neue Steuerzahlungen generieren würde. Durch Eindämmung des Umsatzsteuerbetruges und Personaleinsparungen hoffen Solms und Pinkwart auf weitere Gegenfinanzierung. Auch durch eine Neuordnung der zahlreichen ermäßigten Mehrwertsteuersätze, einzige Ausnahme: Die Sätze für Hotels, die Schwarz-Gelb gerade erst gesenkt hat. Sämtlichen Plänen jedoch müssen nicht nur die Koalitionspartner, sondern auch die Bundesländer zustimmen.

Auch für die Kommunen, denen schon jetzt jeder Euro fehlt, hat die FDP Pläne. In der Koalitions-Arbeitsgruppe Gewerbesteuer wollen die Liberalen deren Abschaffung erreichen. Die Kommunen sollen stattdessen rund zwölf Prozent der gesamtstaatlichen Mehrwertsteuereinnahmen erhalten. Und das Recht, eigene Zuschläge auf Körperschaft- und Einkommensteuer zu erheben. Die FDP erhofft sich so stärkeres Verantwortungsbewusstsein von Bürgern und Bürgermeistern. Faktisch käme dies einer Steuererhöhung und einer Kleinstaaterei gleich.

Häme kam erwartungsgemäß von der Opposition, Zufriedenheit von der Union. Der CDU-Mittelstandspolitiker Josef Schlarmann zeigte sich jedoch enttäuscht darüber, dass auch die FDP nicht mehr auf einer raschen Steuerreform besteht. „Im Koalitionsvertrag steht wortwörtlich drin, dass Steuerpolitik Wachstumspolitik ist“, sagte Schlarmann in Berlin. „Wenn man das ernst nimmt, dann darf man Steuervereinfachung und Steuersenkung nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben, sondern dann muss man’s zügig machen.“

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