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Steuerschätzung: Nach dem Kassensturz

Bund, Länder und Kommunen müssen bis 2013 mit rund 39 Milliarden Euro weniger auskommen, als bisher angenommen. Woran liegt das und was sind die Folgen?

Von Antje Sirleschtov

Nun sind die Zahlen, die fast jeder schon erahnt hat, auch amtlich. Deutschland wird bis mindestens zum Jahr 2013 brauchen, um die finanziellen Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Staatshaushalt wieder auszugleichen. Nach dreitägiger Beratung der Steuerschätzer von Bund, Ländern, Kommunen und Wissenschaft gab Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstag bekannt: „Das Niveau der Steuereinnahmen von 2008 (dem Jahr vor der Krise, Anm. d. Red.) werden wir erst 2013 wieder erreichen.“

Der Staat wird bis dahin zwar jedes Jahr mehr Steuern einnehmen als im Jahr zuvor. Einen Einbruch der Steuereinnahmen wird es also voraussichtlich nicht mehr geben. Allerdings liegen die Einnahmen insgesamt um 38,9 Milliarden Euro unter den Einnahmen, mit denen die Steuerschätzer noch vor einem Jahr gerechnet hatten.

Warum brechen die Einnahmen weg?

Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 2009 sind die Umsätze der Unternehmen in Deutschland drastisch zurückgegangen. Und damit auch die Gewinne, nach denen ihre Steuern berechnet werden. Außerdem zahlen weniger Arbeitnehmer, Selbstständige und kleine Unternehmen Einkommensteuern. Das wirkt sich unmittelbar auf die Einnahmen des Staates aus.

Wer ist am meisten betroffen?

Die Verluste an Steuereinnahmen, auf deren Eingang man gehofft hatte, sind über die kommenden Jahre zwischen Bund, Bundesländern und Kommunen einigermaßen gleichmäßig verteilt (siehe Grafik). Allerdings sind die Auswirkungen bei den einzelnen Ebenen unterschiedlich.

Die Kommunen sind wohl am stärksten von dieser Entwicklung betroffen. Ihre Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind besonders konjunkturabhängig. Kommunen, deren Haushalt sich wesentlich aus diesen Einnahmen speisen, werden damit in noch größere Schwierigkeiten kommen. Denn ihnen fehlt das Geld in der Kasse, mit dem sie ihre laufenden Ausgaben bewältigen und Investitionen tätigen müssen.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Pläne der Kommunen, bis zum Jahr 2013 die Plätze für Kinderbetreuung so weit auszuweiten, dass bundesweit das Recht auf einen Kitaplatz umgesetzt werden kann. Aus Sorge, diese Pläne nicht einhalten zu können, haben die Kommunen beim Bund bereits um eine weitere Aufstockung der Finanzmittel nachgesucht.

Was bedeutet das für die politischen Vorhaben der Koalition?

Wolfgang Schäuble hat die Folgen der Steuerschätzung in den vergangenen Wochen immer wieder beschrieben. Wer auch immer in der Koalition mehr Geld ausgeben will, muss dafür an anderer Stelle Geld einsparen. Außerdem dürfen die Ministerien ihre Etats maximal um das Maß der Inflation erweitern. Und alle anderen darüber hinausgehenden politischen Ziele der Koalition – und dazu gehört auch die Senkung der Steuern – müssen sich zwei wesentlichen Zielen unterordnen: der Einhaltung des Stabilitätspaktes der Europäischen Union ab dem Jahr 2013 und der Einhaltung der Schuldenbremse im Grundgesetz.

Wie geht die Koalition damit um?

Der CDU-Finanzminister hat am Donnerstag seine Schlussfolgerungen auf den Punkt gebracht. Er wolle den Koalitionsvertrag „Stück für Stück“ umsetzen, sagte Schäuble. Das heißt: Steuersenkungen ja, aber nur, wenn dadurch die Einhaltung des EU-Stabilitätspaktes und der Schuldenbremse nicht berührt wird. Die FDP will trotz der erwarteten Einnahmeausfälle weiterhin Steuersenkungen auf den Weg bringen. Generalsekretär Christian Lindner beharrt aber weiter auf den Plänen der Koalition, die Steuern schon ab 2012 zu senken. „Entlastung und Entschuldung“ seien nun die zentralen Aufgaben des Staates, sagte Linder am Donnerstag. Er sprach sogar von „Rekordeinnahmen“ des Staates im Jahr 2013. Denn in der Tat nimmt der Staat bis dahin rund 50 Milliarden Euro mehr ein als in diesem Jahr. Allerdings sind diese Einnahmen (und mehr) bereits verplant.

Bis Anfang Juni muss Schäuble einen Etatentwurf für das kommende Jahr und eine mittelfristige Finanzplanung bis 2013 vorlegen. Dazu muss er grob die Mehrausgabe-Wünsche der Ressorts und den Umfang der Steuersenkungen kalkulieren und danach festlegen, in welchem Ausmaß Ausgaben gestrichen werden, damit die Schuldenbremse eingehalten werden kann. Dem Finanzminister wäre ein „Konklave wie bei der Papstwahl“ , also eine Klausur der Koalitionsspitzen, am liebsten. Das hatte Schäuble in diesen Tagen immer wieder gesagt. Denn nur in einem solch abgeschotteten Kreis, so glaubt der Minister, sei es möglich, die notwendigen Sparmaßnahmen zu beschließen und danach der Öffentlichkeit zu präsentieren. Alles andere führe am Ende nur dazu, dass die Beschlüsse zerredet würden.

Wie will der Finanzminister die Schuldenbremse einhalten?

Wie Schäuble dieses Ziel konkret erreichen will, hat er noch nicht offengelegt. Doch eines ist klar: Ohne Zusatzausgaben und ohne jede weitere Steuersenkung muss der Minister ab 2011 jedes Jahr zehn Milliarden Euro aus dem Etat streichen, damit die Schuldengrenze 2016 erreicht werden kann. Sich selbst hat Schäuble vorsorglich schon einmal zum Schiedsrichter in dieser schwierigen Operation bestimmt. Er allein, sagte der Minister am Donnerstag, könne (und wolle auch) gar nicht darüber bestimmen, wo gespart werde und welche Steuersenkungspläne beerdigt werden müssten. Darüber müssten die Koalitionspartner gemeinsam verhandeln. Er werde maximal das Zahlenwerk liefern und die Verhandlungsergebnisse anhand dessen bewerten. Denn „Zahlen lügen nicht“, meinte Schäuble.

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