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Olaf Scholz - die Herausforderungen wachsen.

© Emmanuel Dunand/AFP

Steuerschätzung: Olaf Scholz muss Haushaltsloch von 15 Milliarden Euro stopfen

Die neue Steuerschätzung verheißt ein geringeres Einnahmenplus. Einen Teil hat der Finanzminister schon berücksichtigt. Aber es wird immer enger im Etat.

In diesem Mai ist Kiel dran. Dienstagfrüh ist in der Hauptstadt von Schleswig-Holstein der Arbeitskreis der Steuerschätzer zusammengekommen, der zweimal im Jahr schaut, wie sich die Einnahmen des Bundes, der Länder und der Kommunen in den kommenden Jahren entwickeln werden. Der zweite Termin ist im November, die unterschiedlichen Tagungsorte sind eine Tradition aus der Frühzeit der Republik – in Kiel findet die 155. Sitzung der Steuerschätzer statt.

34 Frauen und Männer sitzen drei Tage lang über Kolonnen von Zahlen für jede einzelne Steuerart. Den Vorsitz führt ein Beamter des Bundesfinanzministeriums, die Länder sind vertreten, die Kommunen, fünf Wirtschaftsinstitute schätzen mit, auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung, die Bundesbank und einige Instanzen mehr.

Basis ist eine Vorlage aus dem Haus von Olaf Scholz: In der steht nun, dass der Staat bis 2023 mit insgesamt etwa 100 Milliarden Euro weniger auskommen muss als noch im November geschätzt. Im Schnitt der fünf Haushaltsjahre also jeweils etwa 20 Milliarden. Das bedeutet aber keinen Einbruch der Einnahmen - sie steigen nur nicht mehr so stark. Den Bund trifft es am härtesten, auch weil die Steuerverteilung zuletzt Länder und Kommunen bessergestellt hat. Die Prognose für den Bund läuft auf ein Minus von mehr als 75 Milliarden Euro gegenüber den bisherigen Schätzungen hinaus.

Drei bis fünf Milliarden pro Jahr

Allerdings muss Scholz nun nicht mit einem entsprechenden Loch kalkulieren. Die Herausforderung fällt deutlich geringer aus: Es sind wohl etwa 15 Milliarden Euro, die dem Bundesfinanzminister in der aktuellen Haushaltsplanung bis 2023 fehlen. 2019 dürfte er hinkommen, ab 2020 muss Scholz aber schauen, wie er die Mindereinnahmen, die pro Jahr zwischen drei und fünf Milliarden Euro liegen, ausgleichen kann.

Aber wie erklärt sich diese Diskrepanz zwischen 75 und 15 Milliarden Euro, zwischen der Vorlage also und der tatsächlichen Planungslücke? Die Antwort: Die höhere Summe ist die Differenz zur Schätzung vom November, die kleinere Summe jene, die über die Haushaltseckwerte hinausgeht, die Scholz im März vorgelegt hat. Die Steuerschätzung basiert stets auf der aktuellsten Wachstumsprognose der Bundesregierung, und zwischen der Novemberschätzung und der neuen Schätzung, die Scholz offiziell am Donnerstag verkünden wird, lagen zwei entscheidende Termine: die Januar-Prognose für das Wachstum in diesem Jahr und die Frühjahrsprognose. Die erste Prognose aber hat Scholz schon in seine Haushaltseckwerte für 2019 und die Jahre danach einarbeiten können – die Bremsspur ist deutlich in den Zahlen zu erkennen gewesen. Denn die Januar-Prognose fiel mit 0,8 Prozent deutlich schlechter aus als die Wachstumsvoraussage im Herbst, die noch bei 1,8 Prozent lag und die optimistische Steuerschätzung vom November begründete, die nun Makulatur ist.

Geringere Wachstumsprognosen

Die Frühjahrsprognose von Mitte April war nochmals schlechter mit 0,5 Prozent – sie ist in der Haushaltsplanung noch nicht enthalten, aber in der jetzigen Steuerschätzung. Die Differenz von 0,3 Prozentpunkten ergibt für die Steuereinnahmen ungefähr jene 15 Milliarden Euro, die im Bundesetat aktuell noch fehlen bis 2023. Die restlichen gut 60 Milliarden Euro hat Scholz also schon gegenfinanziert, wenn auch mit Ach und Krach, indem er tiefer als geplant in die Rücklage gegriffen hat und sich mit sogenannten globalen Minderausgaben behalf – also der Annahme, dass am Ende der Haushaltsjahre immer weniger Geld abgeflossen sein wird als am Anfang angenommen. Die Herausforderung, vor der Scholz nun steht, entspricht im Schnitt gut einem Prozent des Etatvolumens. Scholz kann das am Donnerstag als machbar darstellen. Aber es wird jetzt langsam richtig eng.

Und in der Koalition gibt es Sonderwünsche über die Abmachungen im Koalitionsvertrag hinaus. Die Sozialdemokraten wollen eine Grundrente einführen (die sich freilich auch aus der Rentenkasse finanzieren ließe, falls die Union das mitmacht). CDU und CSU trommeln wiederum dafür, nun eine Entlastung der Unternehmen anzugehen – auch mit der Begründung, damit die aktuelle Wachstumsdelle schneller ausgleichen zu können, weil die Wirtschaft mehr Luft für Investitionen bekommt.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hegt daher Befürchtungen, dass dieses Vorhaben nun unter den Tisch fällt. Trotz der korrigierten Schätzung stiegen die Steuereinnahmen weiter, betonte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. „Leider nutzt die große Koalition die Rekordeinnahmen nicht genug für die Wirtschaft. Gerade weil sich die konjunkturellen Aussichten eintrüben dürften, muss die Politik jetzt gegensteuern.“

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