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Steuerschätzung: Steuereinnahmen: Einfach zu niedrig

Die Steuereinnahmen brechen weg und damit schwindet die Chance, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Entlastungen umgesetzt werden können. Was bedeutet das für die FDP?

Von Antje Sirleschtov

Münster war einmal ein Synonym des Aufbruchs für die FDP. Sieben Tage vor der Bundestagswahl im vergangenen September schmetterte Guido Westerwelle vor mehr als 1000 begeisterten Sympathisanten in der Münsterlandhalle sein politisches Mantra. „Arbeit muss sich wieder lohnen“, warb der FDP-Vorsitzende und versprach den Anwesenden den großen Aufbruch, wenn er und seine Partei erst in der Regierung wären. Er werde „keinen Koalitionsvertrag“ unterschreiben, in dem nicht ein „einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem“ drinsteht. Nicht weniger als 14,6 Prozent der deutschen Wähler glaubten ihm. Ein historisches Ergebnis für Westerwelles Steuer-Partei.

Sieben Monate sind seither vergangen, sieben Monate, in denen die FDP mit CDU und CSU regiert – und in denen ihr großes Versprechen von der Steuersenkung Stück für Stück in sich zusammengebrochen ist. Weil die Wirtschaftskrise nicht enden will und die Steuereinnahmen niedrig bleiben. Weil alle Koalitionspartner in verschiedenen Bereichen Mehrausgaben planen, unter anderem der FDP-Gesundheitsminister, um den Sozialausgleich für die Kopfpauschale zu finanzieren; das begrenzt den Spielraum für Steuersenkungen. Weil die Bundesländer und Kommunen aus Geldnot keine Steuersenkungen mitmachen wollen. Und nicht zuletzt, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spätestens seit der Griechenlandkrise mit Euro-Stabilität und Schuldenbremse gute Gründe für das Primat der Haushaltskonsolidierung ins Feld führt.

Vergangenen Dienstag wartete man in Münster erneut auf den FDP-Vorsitzenden. An diesem Sonntag wählt Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Zwischen sechs und acht Prozent geben die Meinungsforscher inzwischen den Liberalen nur noch. In der Münsterlandhalle ist die Stimmung diesmal mehr als gedrückt. „Wir rechnen eigentlich nicht mehr damit, dass wir weiter regieren“, sagen sie hier mittlerweile. Und das nicht mal mehr nur hinter vorgehaltener Hand. Als Westerwelle an diesem Abend seine Rede mit dem üblichen „liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“ beginnt, trifft er ein paar hundert teils matte, teils desillusionierte Mitstreiter im Saal an. Selbst die Störenfriede von den Grünen und Linken sind längst nach Hause gegangen, als Westerwelle sie begrüßen will.

Ungewöhnlich heftige Kritik mussten die Liberalen im Münsterland in den vergangenen Wochen aufgrund der Politik ihrer Berliner Parteiführung aushalten. Mit Unmut wurden Fehler und Ungeschicklichkeiten mancher Kabinettsmitglieder der FDP aufgenommen, genauso wie die Senkung der Hotel-Mehrwertsteuer. Alles drückt die Stimmung an diesem Tag in Münster. Noch viel mehr aber die Tatsache, dass den FDP-Wählern vom September immer bewusster wird, dass Westerwelles großes Versprechen, mit ihm an der Macht würde alles besser werden für die kleinen Bürger, vor allem würden ihre Steuern sinken, langsam aber sicher in sich zusammenfällt.

Weder der Spitzenkandidat der FDP in NRW, Andreas Pinkwart, noch Westerwelle selbst erinnern in Münster daran überhaupt noch. Pinkwart spart das Steuerthema gänzlich aus. Und der Parteivorsitzende bezeichnet die Anhebung des Kindergeldes zum Jahresbeginn – eigentlich eine Sozialleistung – als Beleg dafür, dass er sein Steuersenker-Wort gehalten habe. „Arbeit muss sich wieder lohnen“, sagt Westerwelle auch diesmal. Allerdings meint er jetzt die Ferienjob-Freigrenzen für Kinder von Hartz-IV-Empfängern, die Schwarz-Gelb unlängst angehoben hat. Wahrlich magere Zeiten für die Partei der Steuersenker.

Zumal sich – gerade jetzt, da die Steuerschätzerergebnisse für die nächsten Jahre vorliegen – immer deutlicher die Frage stellt: Was bleibt von der FDP, wenn das Steuerthema an Bedeutung verliert? Wozu braucht man diese Partei in einer Regierung, wenn Schwarz-Gelb gegen Ende der Regierungszeit – und danach sieht es aus – nicht mehr als ein paar wenige Steuerkorrekturen umsetzen wird? Genau so viele und genau so weitgehende, wie es die vorsichtige CDU vor der Bundestagswahl angekündigt hat. Beim nächsten Mal, also 2013, wird Guido Westerwelle dann im Bundestagswahlkampf nicht in Münster stehen und den Leuten erneut die nun aber ganz große Steuerentlastung für die nächste Legislatur versprechen können.

Für die FDP brechen damit nun endgültig harte Zeiten in Berlin an. Und zwar ganz unabhängig davon, ob es ihr vielleicht doch noch gelingt, eine zweite Amtszeit mit der CDU in NRW zu regieren oder nicht. Der Wahlausgang in Düsseldorf bestimmt allenfalls noch das Ausmaß der Unbehaglichkeit. Angela Merkels CDU wird ihren Fahrplan an den Möglichkeiten ausrichten, die ihr die Bundesratsmehrheiten nach der NRW-Wahl bieten. Und die FDP läuft Gefahr, sich für jede noch so geringe Entlastung verkämpfen zu müssen.

Wer in diesen Tagen aufmerksam den koalitionsinternen Streit der Umweltpolitiker mit Finanzminister Schäuble um gesperrte Öko-Heizungs-Fördermittel beobachtet hat, der ahnt bereits die bittere Wahl, vor die die FDP nun noch häufiger gestellt werden wird. Die Partei wird sich entscheiden müssen, ob sie Steuersenkungen möchte oder das Geld lieber woanders ausgeben will. Die FDP und ihr Vorsitzender treiben unweigerlich auf eine Sackgasse zu.

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