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Steuersünder: Ein Land sagt Nein

Das Nein der baden-württembergischen Landesregierung, die Steuersünder-CD zu kaufen, bringt Unsicherheit in die Verfolgung von Steuerhinterziehern in Steueroasen. Der angebliche Kompromiss führt jedenfalls nicht weiter.

Berlin - Der Informant hatte sich Anfang Februar bei der Steuerfahndung in Freiburg gemeldet und forderte 500 000 Euro für eine CD mit 1700 Namen mutmaßlicher Steuerhinterzieher. 52 Namen von Anlegern mit Schweizer Konten hatte er zur Probe geliefert. Die baden- württembergische Landesregierung prüfte, ob der Ankauf rechtmäßig sei – ohne zu einer einheitlichen Rechtsmeinung zu kommen. Das Nein von Justizminister Ulrich Goll (FDP) und das Ja von Finanzminister Willi Stächele (CDU) zum Ankauf standen sich unversöhnlich gegenüber. Und der frisch gebackene Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte kein Interesse, mit einem Votum gegen den Kauf Bundeskanzlerin Merkel (CDU) zu verprellen, die bekanntlich seit langem für die Verwendung von Steuersünder-CDs zur Auffüllung der Haushaltskasse plädiert.

Der angebliche Kompromiss, die weitere rechtliche Prüfung des Ankaufs der Bundeszentralamt für Steuern zu übertragen, führt nicht weiter. Ihr Dienstherr, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), wird wenig Neigung verspüren, auf diesem Umweg für die Landesregierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Sein Ministerium hat am Freitag zu Recht darauf verwiesen, dass die Steuerverwaltung Sache der Länder sei und damit auch der Ankauf gestohlener Bankdaten.

Justizminister Goll hatte zum Schluss im Kabinett mit harten Bandagen gespielt. Nach einem Rechtsgutachten, das den Kauf der Bankdaten als strafbar einstuft, ließ er öffentlich verbreiten, dass sich Steuerfahnder strafbar machen könnten, wenn sie die Daten kaufen, um mit ihrer Hilfe nach Steuerflüchtigen zu fahnden. Denn der Kauf sei eine strafbare Beihilfe zur Weitergabe von Betriebsgeheimnissen. Und deshalb könne Goll nicht ausschließen, dass Staatsanwälte anfingen gegen Steuerfahnder zu ermitteln.

Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Linie, dass der Ankauf solcher CDs rechtmäßig sei, macht es sich aber bei der Begründung eher einfach. Es habe bisher noch keine Entscheidung eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft gegeben, die den Kauf einer Steuersünder-CD für rechtswidrig erklärt oder die Verwendung der Daten im Strafverfahren wegen eines Beweisverwertungsverbotes für unzulässig erklärt habe. Im Übrigen verteidigt die Bundesregierung ihre Haltung mit staats- und verfassungspoltischen Argumenten, ohne strafrechtliche Fragen im Detail zu beantworten. Man müsse, forderte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Hartmut Koschyk (CDU) am Mittwoch im Bundestag, auch den Steuerhinterziehern im Ausland das Handwerk legen, „um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die Steuergerechtigkeit auch im Ausland herzustellen“. Der Ankauf von Daten – so Koschyk – sei in Ländern wie der Schweiz die „Ultima Ratio, um Steuerhinterziehung“ aufzudecken.

Das Bundesfinanzministerium rechtfertigt seine Meinung unter anderem mit einem Urteil des Landgerichts Bochum und einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Berlin – weil es höchstrichterliche Rechtsprechung zu den kniffligen und noch völlig ungelösten Rechtsfragen bisher nicht gibt. Die Richter in Bochum machen sich die Sache nicht schwer. Sie lassen dahingestellt, ob der Ankauf der DVD eine Begünstigung oder eine Beihilfe zum Geheimnisverrat ist. Auf jeden Fall verstoße die Verwertung der Daten nicht gegen den Grundsatz der „Unverhältnismäßigkeit“. Beweisverwertungsverbote in strafrechtlichen Ermittlungen gäbe es nur im Ausnahmefall. Und ein solcher läge bei Steuerhinterziehung im Ausland nicht vor, weil deren „Aufklärung im besonderen Allgemeininteresse“ läge.

Zum selben Ergebnis, wenn auch mit ganz anderer Begründung, kommt die Staatsanwaltschaft Berlin. Im Zusammenhang mit dem Kauf einer CD mit Bankdaten der Liechtensteiner LGT Treuhand Bank hatten 24 Bürger Strafanzeige erstattet mit dem Vorwurf, die Beamten des BND hätten sich beim Ankauf strafbar gemacht. Die Berliner Strafverfolger stellten das Verfahren ein. Der Datendieb habe die CD nicht „unbefugt“ an deutsche Behörden weitergeben, weil die sie für „Zwecke der Strafverfolgung“ nutzen wollten.

In der juristischen Literatur werden beide Entscheidungen überwiegend kritisiert. Dort herrscht die Meinung vor, dass sich Aufkäufer gestohlenen Steuersünder-CD strafbar machen – nicht wegen Hehlerei oder Begünstigung, sondern wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat. Durch die angebotenen Millionen werde ein Anreiz geschaffen, die illegal beschafften Daten weiterzugeben.

Das heutige Nein der baden-württembergischen Landesregierung, die Steuersünder-CD zu kaufen, bringt Unsicherheit in die Verfolgung von Steuerhinterziehern in Steueroasen. Es ist voraussehbar, dass die FDP-Minister in den Landesregierungen in Bayern und Schleswig-Holstein, die ebenfalls Daten angeboten bekommen haben, dem Beispiel ihres Parteifreundes Goll folgen und den Ankauf blockieren werden. Jetzt werden die Bundesregierung und Nordrhein-Westfalen die Jagd nach Steuersündern in der Schweiz mit kopierten Datensätzen fortführen, während sich andere Länder verweigern.

Joachim Wagner

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