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Politik: Steuersünder im Fadenkreuz der Fahnder

Auch Finanzbeamte sollen sich bereichert haben – doch nun melden die Behörden erste Erfolge.

Athen - Wie kommt eine Justizangestellte an ein Bankguthaben von fast acht Millionen Euro? Und woher stammen 600 000 Euro auf dem Konto eines Beamten beim Bauamt? Das sind nur zwei von vielen Rätseln, die zurzeit die griechischen Steuerfahnder beschäftigt. Lange schien der Kampf gegen die in Griechenland als eine Art Volkssport geltende Steuerhinterziehung aussichtslos. Allmählich aber gewinnen die Fahnder offenbar die Oberhand. Die Reformbemühungen in der Finanzverwaltung tragen erste Früchte, abzulesen auch an steigenden Steuereinnahmen, die im September und Oktober 2013 um jeweils fast sechs Prozent über dem Haushaltsplan lagen. Die Regierung hofft sogar, die geschätzte Haushaltslücke in Höhe von 500 bis 800 Millionen Euro teilweise über das verbesserte Eintreiben von Steuern bestreiten zu können. Insgesamt sollen die Steuereinnahmen 2014 um 2,3 Milliarden steigen. So sieht es der Haushaltsentwurf der Regierung von Premierminister Antonis Samaras vor, den das Parlament am Samstag verabschiedete.

Einige spektakuläre Fälle aus den vergangenen Wochen: In der Hauptstadtprovinz Attika ermittelten die Finanzpolizisten 52 Firmen, die mit gefälschten Quittungen Mehrwertsteuer in Höhe von 14,8 Millionen Euro hinterzogen haben. Ein Schönheitschirurg im Athener Prominentenviertel Kolonaki verschleierte gegenüber dem Finanzamt Einnahmen von 1,4 Millionen Euro, ein Gynäkologe im Stadtteil Maroussi verschwieg dem Fiskus Honorare von 595 000 Euro. Auf den Bankkonten eines Landwirts in Sparta entdeckten die Steuerfahnder nicht deklarierte Guthaben von 12, 5 Millionen Euro. Spartanisch scheint der Bauer nicht gelebt zu haben. Jetzt versuchen die Ermittler herauszufinden, wie er an das Vermögen kam.

Die Steuerhinterziehung ist eine der Ursachen der griechischen Schuldenkrise. Würden alle Griechen ihre Steuern zahlen, hätte der Staat gar kein Finanzproblem. Während sich die griechischen Arbeitnehmer kaum um die Steuern drücken können, weil sie ihnen bereits vom Gehalt abgezogen werden, haben die Selbstständigen viele Möglichkeiten, ihre wahren Einkünfte zu verschleiern. Nach einer Schätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hinterziehen allein die Selbstständigen pro Jahr Einkommensteuern von 3,2 Milliarden Euro. Das entspräche 80 Prozent des diesjährigen Haushaltsdefizits. Nikolaos Lekkas, einer der obersten Beamten der Steuerfahndung, beziffert die insgesamt hinterzogenen Steuern sogar auf 40 bis 45 Milliarden Euro – im Jahr. Zum Vergleich: Die Steuereinnahmen Griechenlands werden sich in diesem Jahr auf knapp 53 Milliarden Euro belaufen.

Aber nicht nur Ärzte, Rechtsanwälte und Handwerker hinterziehen Steuern. Steuerhinterziehung und Korruption sind eng verflochten. Die Steuerfahndung ermittelt jetzt gegen 143 Finanzbeamte, die in den Jahren 2009 bis 2011 sechsstellige Eurobeträge ins Ausland überwiesen haben, die mit ihren Gehältern nicht zu erklären sind. Wie im Fall der millionenschweren Justizangestellten und der überaus wohlhabenden Beamten der Bauämter liegt hier der Verdacht nahe, dass die Gelder aus illegalen Nebenverdiensten stammen, zum Beispiel aus Schmiergeldern. Nach der jüngsten Statistik der Organisation Transparency International ist in keinem europäischen Land die Korruption so weit verbreitet wie in Griechenland.Gerd Höhler

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