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Gute Geschäfte, kaum Steuern: Auch Starbucks profitiert von den aktuellen Regeln.

© imago stock&people

Steuertricks von Starbucks und Fiat: Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun

Endlich geht die EU gegen die Tricks von großen Konzernen vor - doch immer noch wird gegen deren Steuerhinterziehung zu wenig getan. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Die Ministeuern, die internationale Konzerne abführen, untergraben das Vertrauen in die Demokratie. Wenn die Multis fast alle Gewinne einbehalten und sich der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verweigern oder dies als Mildtätigkeit ihrer Stiftungen deklarieren, hat das mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Es ist vielmehr Kapitalismus pur, wenn den Staatskassen in der EU über Steuersparmodelle Jahr für Jahr rund 150 Milliarden Euro entzogen werden.

Diese Ungerechtigkeit beschäftigt die Politik schon länger – doch im Gegensatz zur Steuerhinterziehung von Privatpersonen stehen die Bemühungen im Hinblick auf große Unternehmen noch ziemlich am Anfang. So begrüßenswert die Brüsseler Entscheidung vom Mittwoch ist, geheime Steuerabsprachen von Starbucks und Fiat mit den Finanzämtern in den Niederlanden beziehungsweise Luxemburg für illegal zu erklären: Die Tatsache, dass dies die ersten beiden Entscheidungen dieser Art sind, zeigt nur, dass viel zu lange ungehindert Geschäfte auf dem Rücken gewöhnlicher Steuerbürger betrieben worden sind. Bezeichnend ist, dass nicht Gesetze solche Praktiken verbieten, sondern der Umweg über das EU-Beihilferecht genommen werden musste, um überhaupt etwas zu erreichen.

Die in der OECD vereinigten Industrieländer hatten sich kürzlich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen unternehmerische Steuervermeidungsstrategien verständigt. Das ist fraglos ein großer Erfolg. Und doch geht es erst einmal nur um Empfehlungen. Was passiert, wenn sie in konkrete Gesetze gegossen werden, hat sich gerade erst vor wenigen Wochen beim automatischen Informationsaustausch zu Steuerdeals zwischen den EU-Mitgliedstaaten gezeigt.

Zwar erhalten die Finanzämter in Nachbarländern, denen dadurch möglicherweise Einnahmen entgangen sind, künftig Einblick in die Arbeit der Kollegen im EU-Ausland und können aktiv werden. Ausgerechnet die Brüsseler Kommission jedoch, deren Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das schärfste Schwert im Kampf gegen die Steuervermeidung in Händen hält, bleibt außen vor. Sie erhält die Daten zu den geheimen Abmachungen im europäischen Steuerdschungel nur in anonymisierter Form und bleibt auf Hinweise aus den Mitgliedstaaten angewiesen.

Ausgerechnet Deutschland blockiert

Leider waren es die deutschen Bundesländer, die maßgeblich zur Verwässerung des ursprünglichen Gesetzesvorschlags der EU-Kommission beigetragen haben. Sie wollten unter Hinweis auf den bürokratischen Aufwand sogar durchsetzen, dass nur neue Steuervorbescheide an die EU-Partner übermittelt werden müssen und keine älteren. Das kratzt zumindest am Saubermann-Image, das sich Deutschland in der Steuerfrage gegeben hat.

Da ist es fast ein Glück, dass sich die öffentliche Debatte so stark auf den EU-Kommissionschef und ehemaligen Luxemburger Premierminister Jean-Claude Juncker fokussiert. Der ist seit Mittwoch zumindest vom Vorwurf entlastet, er behindere die Ermittlungen seiner Wettbewerbskommissarin. Dafür hat seine eigene Behörde nun offiziell festgestellt, dass in seiner Luxemburger Regierungszeit illegale Steuerpraktiken liefen. Zusammen mit den Unstimmigkeiten, die sich aus seinem Auftritt vor dem Steuerausschuss des Europaparlaments ergeben haben, bleibt die Lage für ihn weiter brenzlig.

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