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Apple, der wertvollste Konzern der Welt, zahlte auf seine Gewinne in Europa nur 0,0005 Prozent Steuern.

© dpa

Steuervermeidung: Das Schattensystem der Reichen und Mächtigen

Wann immer ein Fall von eklatanter Steuervermeidung publik wird, rufen Politiker nach Transparenz. Das ist alles, was passiert. Und das hat nicht nur finanzielle Folgen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Zuletzt traf es die Großverdiener der Fußballwelt. Superstar Cristiano Ronaldo wurde erwischt mit 65 Millionen Euro, die er über Irland und die Karibik verschieben und dann steuersparend in der Schweiz bunkern ließ. Erfolgstrainer José Mourinho operierte mit drei Briefkastenfirmen bis nach Neuseeland, um sein Geld zu verstecken. Und genauso hielten es weitere Fußballgrößen, wie Insider über die Plattform „Football Leaks“ enthüllten.

So richtig überraschend ist das allerdings nicht. Warum sollten die vergoldeten Rasenhelden es nicht genauso halten wie all die anderen Superreichen, die sich der Steuerpflicht entziehen? Oder die Steuerstrategen der transnationalen Konzerne? Oder deren Komplizen bei den Banken?

Erinnert sei an die im April veröffentlichten Panama Papers, mit denen die Eigentümer von rund 300.000 Briefkastenfirmen in karibischen Operettenstaaten bekannt wurden, darunter mehr als 1000 Deutsche, denen 28 hierzulande tätige Banken zur Seite standen.

Oder an die Feststellung der EU-Kommission, wonach Apple, der wertvollste Konzern der Welt, auf seine Gewinne in Europa nur 0,0005 Prozent Steuern zahlte. Oder an den BASF-Konzern, der mit Hilfe der Behörden in den Niederlanden, Belgien und Malta von 2011 bis 2014 fast eine Milliarde Euro an Steuern sparte, wie die Grünen im Europaparlament aufdeckten.

Doch die meisten Verantwortlichen wissen sich gut zu verteidigen. Man habe sich an „Recht und Gesetz“ gehalten, versichern die Anwälte der Fußballstars. Alle Gewinnverschiebungen erfolgten im Einklang mit den Steuergesetzen, erklären die Justiziare der Konzerne. „Keinerlei Hinweise auf Fehlverhalten“ ließ sich bei den beteiligten Banken nachweisen. Das ist denn auch die eigentliche Botschaft dieses Enthüllungsjahres 2016: Die Reichen und Mächtigen unterhalten ein weltweites System der Schattenfinanz, um Kapitalerträge der Besteuerung zu entziehen – und ihre Regierungen lassen sie gewähren.

Selbstverständlich geben sich die Verantwortlichen stets empört. „Wir dulden keinen Steuerbetrug über Briefkastenfirmen“, erklärte etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und forderte „weltweite Transparenz“. So verabschiedete das Bundeskabinett jetzt auch mal wieder ein „Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz“. Demnach sollen Banken die Beteiligung ihrer Kunden an „Offshore-Firmen“ in Steueroasen melden und Verstöße härter bestraft werden. Doch das ist Symbolpolitik. Im Kampf gegen die Steuerflucht spielt die Musik in Brüssel. Dort aber, im Rat der EU-Finanzminister, treiben Schäuble und seine Kollegen ein ganz anderes Spiel.

Die Verpflichtungen sind immer noch zu lasch

Ein zentrales Instrument gegen den Steuerbetrug wäre die gesetzliche Pflicht, die tatsächlichen Begünstigten einer jeden Firma in einem öffentlichen Register zu dokumentieren. So wäre jederzeit überprüfbar, wer hinter Immobiliendeals oder Unternehmenskäufen steckt. Doch die Mehrheit der EU-Finanzminister, darunter auch Schäuble, hat den entsprechenden Gesetzentwurf der EU-Kommission sabotiert. Wer die Angaben zu den Eigentümern einsehen will, soll ein „legitimes Interesse“ nachweisen, beschlossen die Minister. Die Daten bleiben also geheim. Zudem soll die Registerpflicht erst für Beteiligungen ab 25 Prozent gelten – und damit leicht zu umgehen sein. Wer seinen Anteil auf mehrere Briefkastenfirmen in der Karibik verteilt, darf weiterhin anonym bleiben.

Auch im Vorgehen gegen die Steuervermeidung der Konzerne ist „weltweite Transparenz“ eigentlich das Gebot der Stunde. Erst wenn klar ist, in welchem Land wie viel Umsatz und Wertschöpfung anfallen, würde die Verschiebung der Gewinne in Steueroasen wie die Niederlande sichtbar. Darum beschlossen EU-Regierungen und Parlament, dass Unternehmen ab 750 Millionen Euro Jahresumsatz diese Daten den Behörden künftig mitteilen müssen. Um zu verhindern, dass die Konzerne trotzdem wie bisher Deals mit einzelnen Regierungen treffen, fordert die EU-Kommission, diese Daten auch zu veröffentlichen. Doch das wollen zwölf EU-Finanzminister erneut verhindern, darunter auch wieder Wolfgang Schäuble.

Nach vorsichtigen Schätzungen kostet die – überwiegend legale – Steuerflucht von Vermögenden und Unternehmen die EU-Staaten mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr, die folglich von allen anderen Steuerzahlern aufgebracht werden müssen. Doch anstatt das Geld einzutreiben, halten Europas Finanzminister ihre schützende Hand über die Begünstigten. Eine bessere Wahlwerbung können sich Antieuropäer und Rechtspopulisten gar nicht wünschen.

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