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Politik: Stichwort: "Reichensteuer"

Setzt sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen durch, müssen sich Spitzenverdiener auf einen Zuschlag bei der Einkommensteuer einstellen - die "Reichensteuer".

Berlin - Wer als Lediger mehr als 250.000 Euro und als Verheirateter mehr als 500.000 Euro im Jahr verdient, könnte in der Spitze voraussichtlich mit einem um drei Punkte erhöhten Steuersatz (45 Prozent) belastet werden. Das würde schätzungsweise 23.000 Singles treffen und gut 25.200 Ehepaare.

In der Debatte darf nicht einfach die Zahl der Millionäre und Milliardäre in Deutschland zugrunde gelegt werden. Ende 2004 gab es nach internationalen Expertenberechnungen in der Bundesrepublik rund 760.000 Millionäre, also Menschen mit einem Finanzvermögen von mindestens einer Million Dollar.

Nach aktuellen Zahlen des Finanzministeriums haben im Jahr 2001 rund 15.000 Steuerpflichtige Einkommen zwischen knapp 250.000 und 500.000 Euro versteuert und 7860 Bürger mehr als gut 500.000 Euro. Das waren 0,2 beziehungsweise 0,1 Prozent der Steuerpflichtigen. Sie überwiesen schätzungsweise 7,5 Milliarden Euro an den Fiskus und trugen damit zu mehr als zwölf Prozent zum Gesamtaufkommen bei.

Nach der so genannten Splittingtabelle, die für Ehepaare gilt, versteuerten 17.260 Steuerpflichtige zwischen knapp 500.000 Euro und gut eine Million Euro. Ihr Anteil beläuft sich ebenfalls auf 0,2 Prozent. Sie zahlten zusammen fast fünf Milliarden Euro Einkommensteuer. Noch mehr haben knapp 8.000 Ehepaare (0,1 Prozent) erwirtschaftet, die insgesamt neun Milliarden Euro zahlten.

An den Zahlen wird deutlich, dass Spitzenverdiener in Deutschland eher eine Minderheit sind. Das erwartete Aufkommen aus der «Reichensteuer» könnte etwa 1,5 Milliarden Euro betragen. Die müssten sich Bund, Länder und Kommunen aber noch teilen. Gemessen auf das Gesamt-Steueraufkommen des Bundes würde die «Reichensteuer» also einen äußerst geringen Anteil im Promille-Bereich ausmachen. Kritiker verweisen auch darauf, dass schon der Wegzug einiger weniger Topverdiener aus Deutschland die Rechnung hinfällig machen würde und am Ende sogar Mindereinnahmen für den Staat stehen könnten.

Die rot-grüne Koalition hatte den Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Eine Rückkehr zur Vermögensteuer wäre finanzpolitisch wesentlich komplizierter als eine höhere Belastung der Spitzenverdiener. Die Vermögensteuer wird in Deutschland nicht mehr erhoben, nachdem das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Bewertung verschiedener Vermögensarten verworfen hatte. Die verfassungsrechtlichen Hürden wären damit sehr hoch.

Die «Reichen» zahlen nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in erheblichem Umfang Einkommensteuer und leisten «zur Finanzierung staatlicher Aufgaben einen hohen Beitrag». Auf die zehn Prozent Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen in Deutschland entfielen mehr als 51 Prozent des Steueraufkommens, auf die ein Prozent Einkommensreichsten gut 20 Prozent und auf die 0,1 Prozent der Steuerpflichtigen ganz an der Spitze - das sind laut DIW 29 000 Steuerpflichtige - noch 8,3 Prozent des Aufkommens.

Auch rechnen sich laut DIW «Reiche» vor dem Fiskus weniger arm, als behauptet. Im Verhältnis zum Bruttoeinkommen ergebe sich, dass die effektiven Steuerbelastungen mit zunehmendem Einkommen tatsächlich steigen. Die effektiven Durchschnittsbelastungen sind deutlich geringer als die Steuersätze. Im Schnitt betrage der effektive Einkommensteuersatz, also der Satz, den die Haushalte bezogen auf ihr Bruttoeinkommen wirklich zahlen, nur 15 Prozent. Bei den reichsten 30.000 Haushalten betrage er im Schnitt nur 30 Prozent. (tso/dpa)

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