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Ein grünes Holzkreuz steht als Mahnmal der Bauern auf einem Feld in Niedersachsen.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Stiller Protest gegen Agrarpolitik: Was sich hinter den grünen Kreuzen auf Deutschlands Äckern verbirgt

Auf vielen Feldern stehen seit einigen Wochen grüne Kreuze. Landwirte wollen damit auf ihre Nöte aufmerksam machen - doch ihre Aktion stößt auch auf Kritik.

Eigentlich soll das Agrarpaket der Bundesministerinnen Svenja Schulze (SPD) und Julia Klöckner (CDU) die Landwirtschaft umweltfreundlicher machen. Es sieht unter anderem Einschränkungen für den heftig umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat vor, mehr Geld für Umwelt- und Klimaschutz, ein freiwilliges Tierschutzlabel und ein Aktionsprogramm für den Insektenschutz. Das klingt erstmal gut. Doch schon wenige Tage nach der Vorstellung des Pakets im September stellte der Nebenerwerbslandwirt und Agrarblogger Willi Kremer-Schillings aus dem niederrheinischen Rommerskirchen - in seinem Blog bekannt als „Bauer Willi“ - ein grünes Kreuz auf seinem Acker an einer Bundesstraße auf; als „stillen Protest“ gegen das Agrarpaket.

„Landwirte sind in keinster Weise gegen Umwelt- und Tierschutz“

Inzwischen dürften bundesweit mehr als 10.000 grüne Kreuze stehen, schätzt Gabriele Mörixmann. Die Landwirtin aus Melle bei Osnabrück ist Mitinitiatorin der grünen Kreuze, zusammen mit sieben weiteren Bloggern und Bloggerinnen. „Keiner hätte zu hoffen gewagt, dass die Resonanz so groß ist“, sagt die Bäuerin. Und sie beteuert: „Die grünen Kreuze stehen für uns - es soll nicht so rüberkommen, Landwirte wären gegen Umweltschutz, gegen Tierschutz - in keinster Weise.“

Teure, tiergerechte Produkte verkaufen sich schlecht

Aber was ist dann eigentlich das Problem? Mörixmann erklärt, warum sie trotz Bedenken doch der Aktion mit den grünen Kreuzen zugestimmt hat. Für ihren Aktivstall, in dem die Schweine viel mehr Bewegungsmöglichkeiten und Beschäftigungsmöglichkeiten haben als in einem normalen Stall, habe sie zwar von allen Seiten viel Lob bekommen. „Fakt ist aber auch, dass ich echt dafür kämpfen muss, überhaupt Kunden für das Fleisch zu finden, Leute, die bereit sind, 30 Prozent mehr Geld dafür auszugeben.“ Die Leute sagten zwar, sie wollten Tierwohl, aber das aufwendiger produzierte Fleisch kaufe kaum jemand.

Wut und Enttäuschung über Bürokratie

Hinzu kämen bürokratische Hürden. „Wenn ich als Landwirt in Richtung Tierwohl umbauen möchte, kriege ich in der Regel keine Genehmigung“, klagt Mörixmann. „Und für mich ist es völlig sinnbefreit, ein Agrarpaket auf den Weg zu bringen, wo auch Tierwohl ein großes Thema ist, wenn dieses Problem, das wir schon vor Jahren angesprochen haben, immer noch nicht behoben ist.“ Das Agrarpaket von Klöckner und Schulze habe bei vielen Landwirten ein Fass zum Überlaufen gebracht.

Landwirt Jürgen Langhorst aus dem niedersächsischen Kreis Diepholz regt sich über die drohenden Einschränkungen beim Düngerecht auf. Die Belastung des Grundwassers mit Nitrat in einigen Regionen Deutschlands ist zu hoch, Deutschland muss auf Druck der EU-Kommission bei den Düngeregeln dringend nachbessern. Betroffen sind vor allem Regionen mit intensiver Tierhaltung, wie im Weser-Ems-Raum in Niedersachsen oder im Münsterland. Deutschland schlägt unter anderem vor, in diesen roten Gebieten die Düngung pauschal um 20 Prozent zu reduzieren.

Politik wird als realitätsfremd wahrgenommen

„Das ist alles beschlossen worden ohne fachlichen Hintergrund“, klagt Schweinehalter Langhorst. Er und sein Berufsverband, das Landvolk Niedersachsen, befürchtet große Ertragseinbußen bei der Ernte. „Das wird alles nicht gut, das wird eine große Katastrophe“, fürchtet er. Auch er hat ein grünes Kreuz aufgestellt auf seinem Acker, um mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Die Reaktionen seien gut.

Auch Heiner Husmann, der im Kreis Diepholz Heidelbeeren anbaut, macht mit bei den grünen Kreuzen. „Der Hauptauslöser war, dass wir überhaupt nicht gehört wurden, dass das beschlossen wurde, ohne dichter an die Landwirte zu rücken und zu fragen, was passiert mit den Betrieben“, sagt der 57-Jährige. Er leide vor allem unter der immer mehr Kräfte verschlingenden Bürokratie.

Landwirte könnten sich mit Kreuzen einen Bärendienst erweisen

Doch die Aktion ist umstritten. Den Landwirtschaftsmeister Friedrich Ostendorff lassen die grünen Kreuze ratlos zurück. Er war einer der ersten Biobauern im Ruhrgebiet und hat die Grünen in seinem Heimatkreis Unna mitgegründet. Heute sitzt er für die Partei im Bundestag und ist ihr Agrarexperte. Die Landwirte könnten sich mit der Aktion auch einen Bärendienst erweisen, fürchtet er. Die Gesellschaft erwarte, dass die Landwirtschaft Lösungen für den Gewässerschutz, für den Artenschutz und den Tierschutz erbringe und nicht dringend notwendige Lösungen blockiere.

Das Agrarpaket von Klöckner und Schulze gehe in die richtige Richtung. „Als Grüner sage ich natürlich, es ist noch nicht genug“, sagt Ostendorff. Der Geduldsfaden der Gesellschaft neige sich dem Ende entgegen. „Ich glaube nicht, dass es da noch große Bereitschaft gibt, zu sagen, wir verstehen euch, wir bessern noch mal nach - das ist die völlig falsche Strategie“, sagt der Westfale. Aufgeklärte Bauern müssten doch von sich aus die Bereitschaft mitbringen, etwas gegen das Insektensterben oder für den Gewässerschutz zu unternehmen.

Protestdemos im Oktober geplant

Während die grünen Kreuze als stiller Protest gemeint sind, wollen einige Landwirte laut werden: Am 14. und am 22. Oktober soll es Protestdemos in Bonn geben, nach dem Vorbild protestierender Bauern in den Niederlanden vor einigen Tagen. Mörixmann will aber nicht, dass die Demos und die grünen Kreuze in einen Topf geworfen werden - oder dass man bei ihrer Aktion womöglich von einem „Kreuzzug“ spricht. „Es ist kein Kreuzzug - es ist ein Dialogangebot“, sagt die Landwirtin. (dpa)

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