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Journalisten bei einer Pressekonferenz des ägyptischen Außenministers Nabil Fahmy. Ausländische Journalisten geraten in Ägypten zunehmend unter Druck.

© dpa

Stimmungsmache in Ägypten: Ausländische Journalisten unter Druck

Ägyptische Medien trommeln gegen das islamistische Lager und loben den Einsatz der Sicherheitskräfte, unabhängige Medien werden verboten. Und auch immer mehr Auslandskorrespondenten leben in Ägypten gefährlich.

Während die Welt fassungslos die exzessive Gewalt der neuen Machthaber in Kairo gegen eigene Landsleute verurteilt, igelt sich Ägypten immer mehr in seinen eigenen Kosmos ein. Unermüdlich trommeln staatliche und private Medien für die neue chauvinistische Einheitsmeinung von den heldenhaften Sicherheitskräften in ihrem apokalyptischen Kampf gegen das terroristische islamistische Lager. In dem Sender CBC, der vor dem Sturz Mursis ein populäres Satireprogramm produzierte, treten Moderatoren bisweilen sogar in Militäruniform vor die Kamera. Alle TV-Kanäle haben seit Tagen „Ägypten kämpft gegen den Terror“ als Dauerlogo eingeblendet. „Wir sind Sissi“ titelte diese Woche die Zeitung „Stimme der Nation“ über dem Foto einer Menschenmenge, deren Gesichter sämtlich per Photoshop durch Porträts des neuen starken Mannes, General Abdel Fattah el-Sissi, ersetzt sind. Keine Pressekonferenz vergeht, in der sich nicht irgendein ägyptischer Kollege zunächst nach dem Muster totalitärer Selbstkritik als reuiger ehemaliger Sympathisant der Muslimbrüder in den Staub wirft, um dann ein noch härteres Vorgehen gegen „alle diese Terroristen“ zu fordern.

Die Fernsehsender der Islamisten in Ägypten sind seit der Machtübernahme verboten

Sämtliche Fernsehkanäle dagegen, über die die Islamisten ihre Sichtweisen verbreiten könnten, sind seit der Machtübernahme durch das Militär verboten. Jetzt drohen die Mediengewaltigen am Nil auch dem Sender „Al Jazeera“ mit dem Entzug der Lizenz, das einzige TV-Programm, in dem noch Demonstrationen der Muslimbrüder gezeigt werden oder ihre Sprecher zu Wort kommen. Der Kanal aus Qatar stachele zur Gewalt auf und gefährde die innere Sicherheit Ägyptens, hieß es zur Begründung.

Angeheizt wird diese zunehmend feindselige Stimmung nicht nur durch zahllose eifernde Fernseh- und Zeitungskommentare, sondern auch durch Stellungnahmen von hochrangigen Mitgliedern der Interimsregierung. Man empfinde „tiefe Bitterkeit“ über die bisherige Berichterstattung, die unverständlich nachsichtig sei mit der Gewalt von Seiten der Muslimbrüder, erklärte am Wochenende der Berater des Übergangspräsidenten, Mustafa Hegazy.

Ägypten wünscht sich eine "unverzerrte" Berichterstattung

Gleichzeitig erließ das Informationsministerium eine dreiseitige Erklärung speziell für die akkreditierten Auslandskorrespondenten, die mit drohendem Unterton in sieben Abschnitten detailliert darlegt, wie sich Ägypten eine „vorurteilsfreie“ und „unverzerrte“ Berichterstattung in Zukunft vorstellt. Die Umwälzung am Nil sei ein „Ausdruck des Volkswillen“ und der Einsatz von staatlicher Gewalt ein „legitimer Kampf gegen den Terrorismus“.
Und so werden die unliebsamen Berichterstatter immer öfter angegriffen oder verhaftet, in drei Fällen bisher sogar gezielt getötet. Letzte Woche verlor der Kameramann von Sky News, Mick Deane, durch einen Scharfschützen sein Leben. Zwölf ausländische Journalisten sitzen momentan im Gefängnis. Der Korrespondent von Spiegel Online, Matthias Gebauer, wurde am Sonntag bereits wenige Stunden nach seiner Ankunft in Kairo nahe der Rabaa Adawiya Moschee festgenommen und mehrere Stunden verhört. Man hielt ihm vor allem vor, die westliche Presse berichte schlecht über Ägypten.

Ausländische Journalisten werden in Ägypten verprügelt

Tags zuvor hatten Mursi-Gegner, die die Fateh-Moschee nahe dem Ramses-Platz umzingelt hatten, mehrere Journalisten vor Ort verprügelt. Ein US-Kollege musste von Soldaten aus den Fängen des Mobs befreit werden. Eine US-Korrespondentin wurde von Schlägern angegriffen, nachdem ein Polizeioffizier diese mit dem Ruf „sie ist eine Amerikanerin“ auf sie gehetzt hatte. Einem britischen Journalisten halfen in letzter Minute zwei Jugendliche auf einem Motorrad, aus der handgreiflichen Menge zu entkommen. Zahllosen Kollegen wurde in den letzten Tagen die Ausrüstung gestohlen. Inzwischen sind bei Recherchen vor Ort auch wieder - wie zu Mubaraks Zeiten - die auffälligen Lauscher im Einheitslook dabei, die alles mit Handykameras aufzeichnen. „Pressefreiheit in Ägypten hat einen Tiefpunkt erreicht“, urteilt Sherif Mansour, Nahost-Koordinator des „Komitees zum Schutz von Journalisten“. Medienleute seien mittlerweile „juristisch und körperlich stärker in Gefahr als unter Hosni Mubarak“.

Martin Gehlen ist Korrespondent des Tagesspiegels in Kairo.

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