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Politik: Stimmungsumschwung (Kommentar)

Berlin hat ein neues Geräusch. Es kommt aus der Nähe des Brandenburger Tors.

Berlin hat ein neues Geräusch. Es kommt aus der Nähe des Brandenburger Tors. Doch wenn man ganz still ist, kann man es bis hinein in die Redaktionsstuben hören. Es klingt wie hundertfaches Atmen. Kein gewöhnliches Atmen, es ist ein Auf- und Durchatmen. Das ist die Regierung. Und wenn man noch genauer hinhört, dann erkennt man zwischendurch ein lautes Rascheln und kräftiges Reißen. Das sind die Krisenszenarien, die Masterpläne für den Tag X, den nach der Niederlage in Schleswig-Holstein und für den Tag Y, den nach der Niederlage in Nordrhein-Westfalen. Sie werden gerade entsorgt. In der Demoskopie schlägt sich der Stimmungsumschwung, der sich gerade vollzieht, noch wenig nieder. Die Sonntagsfrage sieht die CDU bei stabilen 45 Prozent. Doch das täuscht. Die Umfrage-Institute verrechnen ihre Rohdaten stets mit einem bestimmten Faktor, der die langfristigen Orientierungen der Wähler berücksichtigt. In dieser schneller gewordenen Republik scheinen die langfristigen Orientierungen jedoch immer kurzfristiger zu werden. Möglicherweise muss die Demoskopie sich hier umstellen. Die Regierungsparteien jedenfalls können tatsächlich beruhigt in die Weinhnachtsferien gehen. Das schreckliche Jahr geht vorbei, ein besseres Jahr steht bevor. Darin liegt auch für die Wählerinnen und Wähler etwas tröstliches, selbst dann, wenn sie weder mit den Grünen noch mit den Roten sympathisieren. Für das Land ist es allemal besser, wenn wenigstens ein politisches Lager keinen Koller hat. Und von der CDU, was hört man von der? Da kann man lauschen wie man will, zwischen den schmalen Lippen dringt kein Laut hervor. Deutschland ist politisch gelähmt, aber nur noch zur Hälfte.

bul

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