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Politik: Stoiber beichtet seine Wut auf Merkel

Gespräch mit dem Papst über das Zerwürfnis / Landtagspräsident Glück: Vertrauen verloren

Berlin - „Wir dürfen momentane Irritationen nicht zum Maß der nächsten Jahre nehmen“, warnt Alois Glück – und es wird deutlich, was den „elder statesman“ der CSU umtreibt nach dem unrühmlichen Abgang seines Parteichefs Edmund Stoiber aus Berlin. Es ist die Sorge um den bundespolitischen Einfluss seiner Partei. Schließlich hatte er, der langjährige Fraktionschef und einflussreiche Landtagspräsident, dem Zaudernden den Gang in die Hauptstadt seinerzeit dringend anempfohlen. Nun beharrt Glück: „Die Entscheidung des Parteivorsitzenden bedeutet keinen Rückzug der CSU auf den Schwerpunkt Landespolitik.“ Er mahnt die Partei vielmehr, sich „bei allen Beschwerlichkeiten“ weiter in der bundespolitische Verantwortung zu fühlen. „Alles andere wäre die Ausfransung der Volkspartei CSU.“

Trotzig im Münchner Schneckenhaus – ernsthaft ist das bei einem Stoiber kaum zu befürchten. Schon am Sonntag meldet sich der CSU-Chef wieder mit bundespolitischen Ratschlägen zu Wort. „Es darf nicht sofort an der Steuerschraube gedreht werden, bevor nicht wirklich eingespart wurde bei den Staatsausgaben“, mahnt er die Verhandler in Berlin. Und sein Parteigeneral assistiert. „Die Handschrift der Union und die Glaubwürdigkeit der CSU“ müssten im Koalitionsvertrag erkennbar sein, sagt Markus Söder.

Das Problem bei alledem ist nur, dass man von einem Politiker, der das Amt des Bundeswirtschaftsministers verschmäht hat, wirtschaftspolitische Ratschläge womöglich nicht mehr so gerne hört. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt wirft Stoiber vor, mit seiner Unentschlossenheit der gesamten Union und der künftigen Kanzlerin geschadet zu haben. „Seit Monaten Hü und Hott – so kann man Deutschlands Probleme nicht lösen“, sagt er. Und für Michael Glos, den Stoiber-Ersatzmann in Berlin, ist es ungewiss, ob man mit diesem Spitzenkandidaten nochmal in die Landtagswahl ziehen werde.

Auch in der Heimatfraktion sind sie vergrätzt – und Glück hat Mühe, die Unmutsäußerungen einzufangen. Nein, er habe dem CSU-Chef kein Ultimatum gestellt, sagt er dem Tagesspiegel und dementiert einen entsprechenden „Focus“-Bericht. Nichtsdestotrotz sei es „sehr bedenklich, wenn aus internen Gesprächen selbst im Präsidium sofort an die Presse berichtet wird – noch dazu in verzerrter Form“.

Überhaupt die undichten Stellen. Jetzt will „Bild am Sonntag“ auch noch gehört haben, wie Stoiber dem Papst bei seiner Vatikan-Visite seine wahren Beweggründe für den Rückzieher gebeichtet hat. Nicht an Müntefering habe es gelegen, sondern an Merkel, mit der er, Stoiber, einfach nicht könne. Seiner CSU-Fraktion habe der Rückkehrer davon nichts erzählt, sagt Glück. Allerdings habe Stoiber schon 14 Tage vor seinem Entschluss „Signale ausgesandt, dass er sich in Berlin nicht richtig unterstützt fühlt. Ob das ausschlaggebend war, weiß ich nicht.“ Als Vorsitzender einer Koalitionspartei habe Stoiber jedenfalls in Berlin „schon eine gewisse Sonderstellung erwartet“.

Jetzt gehe es darum, „das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen“, drängelt Glück – und gibt rundheraus zu, dass dieses Vertrauen „teilweise verloren gegangen ist“. Stoiber habe aber die Kraft und das Potenzial zu dem versprochenen Neuanfang. „Das wird nicht leicht sein, aber ich traue es ihm zu.“ Stoiber habe „aus schwierigen Situationen heraus immer viel dazu gelernt“. „Oft hat er sich dann auch verändert als Person und in seinem Politikverständnis“, sagt Glück und nennt als Beispiel Stoibers Wechsel vom bayerischen Innenminister zum Ministerpräsidenten. Er hätte auch die Aufgabe des Generalsekretärspostens unter Strauß nennen können. Als „blondes Fallbeil“ hat ihn danach keiner mehr tituliert.

Funktionieren kann der Neuanfang laut Glück aber nur über „eine stärker teamorientierte Führung“. Dies sehe auch Stoiber so, sagt der Landtagspräsident. Es klingt – trotz des geäußerten Optimismus – beschwörend.

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