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Politik: Stoibers Welt

Bayerns Ministerpräsident ist zehn Jahre im Amt. Er sieht sich als Manager – und will Eichel zeigen, wie man in schlechten Zeiten spart

„Nicht besitzen, sondern gestalten ist unser oberster Grundsatz“, hatte es in der ersten Regierungserklärung des Ende Mai 1993 vom Bayerischen Landtag zum neuen Ministerpräsidenten gewählten Edmund Stoiber geheißen. Stoiber ließ seinen Ankündigungen Taten folgen, indem er verkaufte, was gemeinhin das „Tafelsilber“ genannt wird. In den folgenden Monaten und Jahren wurden unter anderem der staatliche Anteil an der Dasa, am Bayernwerk und an der Bayerischen Versicherungskammer veräußert.

Programmatisch folgte Stoiber, der sich auch heute noch manchmal als „Manager der Bayern AG“ begreift, angelsächsischem beziehungsweise amerikanischem Vorbild; Jahre vorher hatten sowohl Maggie Thatcher als auch Ronald Reagan ähnlich versucht, ihr Land zu sanieren. Stoiber finanzierte mit den Erlösen, die sich immerhin auf mehr als fünf Milliarden Euro beliefen, hauptsächlich die High-Tech-Offensive, die vor allem Oberbayern und der Stadt München viele Firmenansiedlungen gebracht hat.

Aber es waren nicht nur fette Jahre für Bayern, denn der Ruf Stoibers als begabter Staatsinterventionist nahm eben auch Schaden, wo sich zum Beispiel im Fall der oberpfälzischen Maxhütte eine Tradition, die noch aus den 80er Jahren stammte, auch unter ihm fortsetzt: Das Stahlwerk im oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg wurde nahezu bedenkenlos millionenschwer subventioniert, obwohl die Lage am Markt vollkommen dagegen sprach. Auch die LWS-Affäre, bei der die halbstaatliche Landeswohnungsbaugesellschaft sich bei Bauträgergeschäften im Osten verspekulierte, hat das Profil des Wirtschaftsprofis und Dirigisten Stoiber nicht geschärft; gar nicht zu reden von den Milliardenkrediten der ebenfalls halbstaatlichen Landesbank für Leo Kirch. Dessen Insolvenz hat die Landesbank wohl mindestens eine Milliarde Euro gekostet.

Die Zeit großer Umverteilungen ist aber auch in Bayern vorbei. Momentan wird, wenn möglich, überall der Bestand gesichert. Erstaunlicherweise scheinen Stoiber Klimmzüge der Marke LWS und auch sein Engagement für den Deutschen Orden, dem sich ein Landtagsausschuss lange, aber ergebnislos gewidmet hat, nicht besonders geschadet zu haben. Nach einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks käme die CSU bei den Landtagswahlen in vier Monaten auf ein Ergebnis um die 60 Prozent, die SPD lediglich auf 22 Prozent. Von solchen Zahlen konnte Stoiber am Anfang seiner Karriere als Ministerpräsident nur träumen, damals hatte er die Spätfolgen der „Amigo-Affäre“ auszubaden, schlug sich aber schon als Neuling 1994 mit 52,8 Prozent beachtlich.

Nach den knapp verlorenen Bundestagswahlen mag Stoiber zugute kommen, dass ihn große Teile der Bevölkerung seines Freistaates gewissermaßen im Nachhinein noch einmal bestätigen wollen. Davon, dass Stoiber sich das Vertrauen der Menschen durch übergroße Segnungen erkauft hätte in der letzten Zeit, kann freilich keine Rede mehr sein. Dass in diesen Tagen in der Oberpfalz gleich 5000 Bürgermeister und Stadträte auf einer Großkundgebung wegen leerer Kassen auf die Straße gegangen sind, wird die Staatsregierung wohl nachdenklich stimmen. Helfen können wird sie nicht; sie will es auch gar nicht.

Stoiber nämlich hat seine Schlussfolgerungen aus den jüngsten Steuerausfällen gezogen, die sich allein in diesem Jahr auf über 500 Millionen Euro belaufen werden. Statt neue Schulden zu machen, werden Subventionen gekürzt, in der Landwirtschaft zum Beispiel um gleich fünf Prozent, was nicht wenige Bauern gegen Stoiber aufbringen wird. Gleichwohl muss Bayern Schulden aufnehmen, im Vergleich ist das aber nur so viel Geld, wie auch das Saarland braucht: 350 Millionen Euro. Prinzipiell gibt Stoiber den Über-Eichel – und das hat nicht nur mit den Landtagswahlen zu tun, es ist mittlerweile sein Entwurf von Politik.

Dass Stoiber so bald noch einmal ein Kaninchen aus dem Hut zaubern kann wie in den 90er Jahren üblich, glaubt niemand.

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