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Politik: Stolpe: Osten soll bis 2019 Hilfe bekommen

Minister rechnet nicht mehr mit schneller Angleichung der Lebensverhältnisse / Jahresbericht zur Einheit

Von Antje Sirleschtov

Berlin. Knapp 13 Jahre nach der deutschen Vereinigung trifft die deutschlandweite Konjunkturkrise vor allem Ostdeutschland. Das geht aus dem Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2003 hervor. Darin heißt es, die gesamtwirtschaftliche Leistung in den neuen Ländern sei vergangenes Jahr zum ersten Mal leicht zurückgegangen. Die durchschnittliche Wirtschaftsleistung pro Kopf erreicht nach wie vor nur 62,7 Prozent des Westniveaus.

„Der Traum von der schnellen Angleichung Ost und West“ sollte daher nach Auffassung des zuständigen Ministers im Kabinett, Manfred Stolpe (SPD), „endgültig beerdigt werden“. Noch immer seien keine flächendeckenden Strukturen geschaffen worden, die die weggebrochene Industrie und Forschung in den neuen Ländern ersetzen könnten, sagte Stolpe am Mittwoch in Berlin. Größtes Problem sei die Massenarbeitslosigkeit, die mit rund 18 Prozent mehr als doppelt so hoch sei wie in den alten Ländern.

Stolpes Forderung lautet deshalb, „die Förderung der neuen Länder darf vor Dezember 2019 nicht in Frage gestellt werden.“ Der Minister trat damit Positionen auch sozialdemokratischer Politiker aus Westdeutschland entgegen, die eine Rückführung der Subventionen im Osten fordern. Deren Argument, genau wie im Osten gäbe es mittlerweile auch im Westen strukturschwache Regionen, trat Stolpe mit der Beteuerung entgegen, in seinem Ministerium würden die Entscheidung „nicht nach Himmelsrichtungen“ gefällt. Ost sei nicht Ost, genau wie West nicht West sei, sagte der Ost-Minister. Er plädierte dafür, die Ostförderung beizubehalten, zugleich aber auch die westdeutschen Problemregionen zu unterstützen.

Zuversichtlich zeigte sich Stolpe, dass es in den neuen Ländern auch ab 2004 eine Arbeitsmarktpolitik geben werde, die den Bedürfnissen der Regionen entspreche. Eine Arbeitsmarktpolitik im bekannten Sinne benötige Ostdeutschland „noch einige Jahre“. Es genüge nicht, allein in eine moderne Infrastruktur zu investieren. „Die teilungsbedingten Nachteile sind an vielen Orten zu besichtigen.“

Überraschend bezog der Ost- und Verkehrsminister zur Frage der Neuordnung der Gemeindefinanzen eine Gegenposition zu Finanzminister Hans Eichel (SPD). Gerade in den Städten und Gemeinden des Ostens sei die finanzielle Situation so schlecht, dass „es nicht genügt, die Kommunen mit drei oder vier Milliarden Euro zu entlasten“, sagte Stolpe. Bei der Neuordnung der Kommunalfinanzen müsse die Bundesregierung ein Entlastungsvolumen erreichen, das „sehr nahe an einem zweistelligen Milliardenbetrag liegt“.

Dem Jahresbericht der Regierung zufolge ist die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland seit Jahren praktisch nicht gewachsen. Die gesamtwirtschaftliche Leistung ging vergangenes Jahr sogar leicht um 0,2 Prozent zurück. Sie blieb damit erneut hinter der Entwicklung in den alten Ländern (0,3 Prozent) zurück.

Mehrere ostdeutsche Bundestagsabgeordnete der SPD-Fraktion hatten deshalb in der vergangenen Woche kritisiert, dass die Mittel im Haushalt 2004 für die neuen Länder nicht ansteigen würden, sondern sogar zurückgingen.

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