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Straftaten: Kuscheljustiz?

Trotz milder Einzelurteile für brutale Schläger: Die Strafhärte insgesamt ist gestiegen. Die Haftjahre nehmen zu, Bewährungsstrafen sind seltener.

Berlin - Dezember 2007 in Waltrop, vier junge Männer überfallen brutal zwei 26-jährige Männer. Ein Opfer ist heute auf einem Auge blind. Gegen das Quartett erging am Freitag das Urteil: 30 Monate Haft für den Haupttäter, 20 Monate auf Bewährung für den zweiten. Die beiden anderen, eine tätliche Beteiligung konnte nicht nachgewiesen werden, kommen mit sechs Monaten auf Bewährung weg .

Berlin im März , zwei Männer greifen einen Busfahrer mit einem Messer an, sie verletzen ihn am Oberkörper. Dreieinhalb und drei Jahre Haft lautet das Urteil. Laut Spruch war es kein Tötungsversuch, Alkohol spielte zudem eine Rolle.

Frankfurt an diesem Wochenende, erst im März zu einer 21-monatigen Jugendstrafe wegen eines Messerangriffs auf einen U-Bahn-Fahrer im Januar verurteilt, sticht der Täter erneut zu. Eine Notoperation rettet das Opfer. Das Urteil war gerade erst rechtskräftig, noch kein Termin für den Haftantritt. Wiederholungsgefahr hatte das Gericht nicht angenommen.

„Zu milde“, „rechtspolitische Katastrophe“, „Kuschelurteile“ wird den Richtern jetzt vorgehalten. Es gebe eine Tendenz, diese Täter nicht hart genug zu bestrafen.

Weit gefehlt, hält dem der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer, entgegen. Zwar gebe es tatsächlich immer wieder überraschend milde Urteile, über die man sich verständlicherweise aufrege. Diese jedoch seien kein Beleg für eine Tendenz. „Deutschland hat eine eindeutige Tendenz zu mehr Strafhärte seit 1993“, sagt Pfeiffer. Auch eine aktuelle KFN-Studie zur Strafhärtekontrolle zeige in ersten Erhebungen ein klares Ergebnis: „steigende Strafhärte“. Die verhängten Haftjahre steigen demnach an, auf Bewährung wird weniger ausgesetzt. Zudem steige seit 15 Jahren in Deutschland das Risiko, von der Polizei erwischt zu werden. Diese Risiko wirke übrigens deutlich abschreckender als die höheren Strafen. Wie etwa die in München.

München, kurz vor Weihnachten, zwei junge Männer schlagen einen Rentner auf einem U-Bahnhof brutal zusammen und verletzen ihn lebensbedrohlich. Wegen versuchten Totschlags, so das Urteil, müssen der 18-jährige Spyridon L. für achteinhalb in Jugendhaft, der 21-jährige Serkan A. geht zwölf Jahre ins Gefängnis.

„Jedes Urteil erfordert eine Einzelfallprüfung“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Oberstaatsanwalt Christoph Frank. „Nach kriminologischen Untersuchungen nimmt die Strafhöhe nach Gewaltdelikten tendenziell eher zu als ab. Der Vorwurf der Kuscheljustiz ist ungerechtfertigt.“ Den macht der Linke-Politiker Wolfgang Neskovic, selbst Richter, anderen: „Zurzeit gibt es Kuschelurteile nur in Wirtschaftsstrafsachen“, sagt Neskovic. „Die Justiz wird zunehmend härter“, meint der Rechtspolitiker der Grünen, Jerzy Montag. Eine Tendenz zur Kuscheljustiz verneint auch der Rechtspolitiker der CDU, Siegfried Kauder, von Beruf Strafverteidiger. „Ich kann nicht bestätigen, dass es diese Tendenz gibt.“ Dabei sei zu beachten, dass die Rückfallquote nach Bewährungsstrafen deutlich geringer sei, als nach Haftstrafen. Richter reagierten maßvoll im Einzelfall.

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