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Strafverfolgung: Piraten sollen nicht nach Deutschland

Die von der deutschen Marine am Horn von Afrika festgesetzten Piraten werden voraussichtlich nicht in Deutschland vor Gericht gestellt. Die Alternative: Die neun Männer werden an Kenia übergeben.

Die von der deutschen Marine am Horn von Afrika festgesetzten Piraten werden voraussichtlich nicht nach Deutschland geholt, sondern an Kenia übergeben. Eine Kommission aus Vertretern der vier Ministerien für Justiz, Inneres, Außen und Verteidigung prüfte den bisher einmaligen Fall am Mittwochabend in Berlin. Aus Regierungskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur (dpa), dass sich Deutschland um eine schnelle, spezielle Vereinbarung mit Kenia als Drittstaat zur Überstellung der Seeräuber bemühen wolle. Eine Freilassung der neun Männer gilt inzwischen als ausgeschlossen, weil die Hamburger Staatsanwaltschaft mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt deutsches Strafverfolgungsinteresse gezeigt hat.

Das genaue Ergebnis der Sitzung wird laut Verteidigungsministerium am Donnerstag nach erneuter Absprache bekanntgegeben. Das Innenministerium hatte vor der Sitzung der Kommission beklagt, das Auswärtige Amt (AA) hätte schon längst ein entsprechendes bilaterales Abkommen mit Kenia treffen können - wie es Großbritannien und Frankreich getan hätten. Eine AA-Sprecherin sagte dazu, nicht zuletzt auf deutschen Druck sei ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und Kenia "ausverhandelt und steht kurz vor der Unterzeichnung". Die EU hatte ihre Anti-Piraten-Mission "Atalanta" Ende vergangenen Jahres gestartet.

Innenministerium: Keine Rechtsgrundlage

Die Marine hatte am Dienstag im Golf von Aden einen Piraten-Angriff auf das Handelsschiff einer deutschen Reederei vereitelt und neun Piraten in Gewahrsam genommen. Nach EU-Recht - dies gilt auch für den deutschen Einsatz - dürfen Piraten bis zu zwölf Tage festgehalten werden. Die deutsche Marine wird die neun Männer zunächst weiter an Bord ihrer Fregatte "Rheinland-Pfalz" behalten.

Laut Innenministerium gibt es keine Grundlage, die Seeräuber zur Strafverfolgung nach Deutschland zu holen. Ministeriumssprecher Stefan Paris sagte: "Nach dem Kabinettsbeschluss aus dem vorigen Jahr käme bei uns eine Strafverfolgung in Betracht, wenn gewichtige Rechtsgüter mit hinreichendem Deutschland-Bezug verletzt wurden." Das sei hier nicht der Fall. Zwar gehöre das von den Piraten angegriffene Schiff einer deutschen Reederei, es fahre aber nicht unter deutscher Flagge. Es sei auch kein Deutscher an Bord des Schiffes und kein deutscher Staatsbürger verletzt worden.

Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner beklagte, die Regierung habe genügend Zeit zur Klärung der Rechtslage im Falle der Übergabe an einen Drittstaat gehabt. Nach Auffassung der Grünen müssen sie "unverzüglich" einem deutschen Richter vorgeführt werden. "Wenn man nicht vorhat, jemanden vor Gericht zu stellen, darf man ihn auch nicht festhalten", sagte der Grünen-Politiker Volker Beck der dpa. Bei dringendem Tatverdacht der Piraterie dürfe man die Verdächtigen nicht einfach laufen lassen, "bloß weil kein Deutschland-Bezug besteht". Die Bundesregierung müsse dann "die Strafverfolgung gewährleisten". Die Piraten dürften aber nicht an ein Land überstellt werden, in dem die Mindeststandards der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht gewährleistet seien. (küs/dpa)

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