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Politik: Strahlenexperte Albrecht Kellerer über den Atomunfall in Japan: "Ich begreife nicht, dass das passieren konnte" (Interview)

Welche Strahlendosis haben die Menschen in Japan abbekommen?Diejenigen, die in unmittelbarer Nähe standen, sind mit Sicherheit lebensgefährlich verstrahlt.

Welche Strahlendosis haben die Menschen in Japan abbekommen?

Diejenigen, die in unmittelbarer Nähe standen, sind mit Sicherheit lebensgefährlich verstrahlt. Ein Indiz dafür ist der blaue Blitz, der am Beginn der Kettenreaktion entsteht, eine Art Energieblitz. Wir sprechen hier von Kritikalität, das heißt, es ist genügend Uran 235 zusammengekommen, um eine Art Neutronenlawine zu verursachen.

Was bedeutet das für die Gesundheit der Menschen?

Die zwei oder drei direkt bestrahlten Menschen haben wohl eine Strahlendosis von acht Sievert abbekommen, fünf können bereits tödlich sein. Die Anfangssymptome bei erhöhter Strahlenbelastung sind oft Übelkeit und Schwindel. Das bessert sich zwar, aber das heißt nicht, dass die Menschen über den Berg sind. Im Gegenteil. Man muss sehen, ob sie die kritische Zeit von sieben bis zehn Tagen überstehen. Es droht die Schädigung der Magen-Darm-Flora, was wiederum zu Infektionen führen kann. Einige Menschen in Tschernobyl sind deshalb gestorben, weil sie diese kritische Zeit, wo Infektionen entstehen können, nicht überstanden haben. Eine zweite schwierige Phase dauert 25 bis 30 Tage. Hier besteht die Gefahr, dass das Blutbildungssystem nicht mehr funktioniert. Denn die Strahlen können Stammzellen im Knochenmark vernichten, das Immunsystem kann zusammenbrechen. Die Zelltypen im Blut verringern sich, ebenso die Immunzellen. Die Frage ist, ob genügend vom eigenen Knochenmark erhalten bleibt, um später genügend Knochenmark zu regenerieren.

Was weiß man heute eigentlich über die Gefährlichkeit von niedriger Strahlendosis?

Da sprechen wir von einer ganz anderen Dimension. Man meint bei niedriger Strahlendosis nicht die akuten Syndrome, sondern mögliche Spätschäden, beispielsweise das erhöhte Krebsrisiko. Die Strahlenmenge, die ein Mensch dort abbekommen hat, der vor der Anlage am Zaun stand, ist so hoch wie die normale Dosis, die jeder von uns in zwei Jahren abbekommt. Natürlich ist eine solche zusätzliche Dosis nicht schön, aber das ist eher gering einzustufen. Man kann das in keinster Weise mit den Strahlendosen von Tschernobyl vergleichen, die Gesamtemmission an Radioaktivität war dort um vieles höher.

Hat Sie eigentlich überrascht, wie schlecht die Arbeiter und später die Hilfskräfte ausgerüstet waren?

Ja. Das fand ich außerordentlich überraschend. Das dürfte nicht passieren. Was offenbar passiert ist, dass man nämlich in einem Behälter Reste von Uran in Salpetersäure auflöst, wofür man normalerweise 2,4 Kilo braucht und nun plötzlich 16 genommen hat - wobei die kritische Menge bei sechs Kilogramm liegt - ist mir einfach unbegreiflich. Anscheinend hat man wirklich das Uran verwechselt. Aber selbst wenn dies menschliches Versagen ist, dann ist es zudem ein Versagen des technischen Systems, dass eine solche Verwechslung ohne Warnung überhaupt möglich ist.

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