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Muss das so aussehen? Eigentlich nicht. Aber wer soll's wegmachen? Die AfD will das Thema Müll jetzt angehen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Strategien der Berliner AfD: Wenn die Rechtspopulisten sauber machen

Die AfD will in Berlin jetzt im Wortsinn aufräumen. Das kann gefährlich werden, wenn sie damit ihre Akzeptanz und Glaubwürdigkeit steigert, sagt der Politologe Lars Geiges im Gespräch.

Aus vielen ländlichen Regionen, vor allem im Osten, ist das Muster bekannt, dass rechtsextreme Gruppen und Parteien sich da breitmachen und engagieren, wo die etablierten Parteien sich zurückgezogen haben. In Berlin hat die AfD sich jetzt zur Kämpferin gegen die Vermüllung der Stadt erklärt, die viele Bürger beklagen und der vom rot-rot-grünen Senat und den Bezirken nicht entschieden genug begegnet wird. Ist das dasselbe Prinzip?

Ja, das Prinzip ist bekannt, und es greift nicht nur im ländlichen Raum. Es greift auch in Städten, beispielsweise in NRW. Sowohl in Dortmund wie in Duisburg haben rechtspopulistische und rechtextreme Parteien und Bewegungen sich ebenfalls gegen Vermüllung engagiert und die zugleich stark mit der Zuwanderung aus Südosteuropa, mit Rumänen und Bulgaren, in Verbindung gebracht. Dem Engagement wurde also ein nationaler Rahmen gegeben und dabei gegen „Roma“ gehetzt.

Was gehört noch zu der Strategie?

Der Kern des Erfolgs ist, dass real existierende Konflikte aufgenommen werden, Beispiel Vermüllung. Dazu kommt das Wording vom Staatsversagen. Der Tenor ist: Die Politiker der etablierten Parteien kümmern sich nicht, also nehmen wir das Problem selbst in die Hand. Sie verkaufen es als „Hilfe fürs Volk“ oder unter dem Motto „Ein Volk hilft sich selbst“. Und hinzu kommt dann meist rasch auch die Feindbenennung, oft auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

In Berlin wird viel Müll von Party-Touristen liegengelassen. Eignen die sich als Feindbild?

Das kommt drauf an, wie man es dreht und womit es verknüpft wird. Beispielsweise: An die Berliner wird nicht gedacht, hier interessiert nur, dass der australische Backpacker ein billiges Hostel findet und nachts noch einen Döner kriegt. Man sammelt Reizworte zusammen und spielt die soziale Karte, die äußerst anschlussfähig ist. Das funktioniert offenbar zunehmend, weil – wie Studien zeigen – der Vertrauensverlust in die etablierten Parteien und staatlichen Strukturen zugenommen hat.

Was könnte das Müll-Engagement für die AfD in Berlin bewirken?

Die Gefahr ist, dass ein Engagement in zivilgesellschaftlichen Räumen die Hemmschwelle senkt, rechtsextreme oder rechtspopulistische Gruppen und Parteien zu akzeptieren. Man sieht: Die packen an, die fegen hier den Bürgersteig, das ist gut, und dahinter verschwindet dann das Gerede von Björn Höcke und Co. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Einsatz vor Ort, das Kümmern, immer auf das Wählerkonto einzahlt. Das gilt auch für Rechtsaußen-Parteien. Die Perspektive ist dann, dass so die Glaubwürdigkeit steigt.

Wie sollten also die etablierten Parteien, in Berlin der rot-rot-grüne Senat, reagieren?

Pauschalantworten sind natürlich schwer. Aber das Problem ist ja offenbar, dass das Thema Müll so lange im Wortsinn liegengelassen wurde, dass die AfD es für sich besetzen konnte. Insofern könnte man sagen, das Kind ist ein Stück weit in den Brunnen gefallen. Nun muss man vielleicht einzelne Putzaktionen auch nicht gleich zu ernst nehmen. Aber es würde jetzt keinen Sinn ergeben, lediglich die Sauberkeitsaktivitäten der AfD zu kritisieren. Die etablierten Parteien müssten ihre Haltung zu dem Thema erklären. Wenn der Senat die gewünschte Sauberkeit nicht leisten kann, dann muss er das begründen und vorrechnen, das Thema jedenfalls politisch diskutieren.

Mit anderen Worten, die nicht rechtspopulistisch geneigten Berliner können jetzt doppelt verärgert sein: Nicht nur hat ihr Senat das Problem Müll ignoriert, sondern damit noch der AfD ein Profilierungsfeld überlassen.

Als Anhänger einer etablierten Partei, der im Kiez lebt und dem etwas an dem Thema liegt, kann man das zweifelsohne so sehen, ja.

- Lars Geiges ist Politologe am Göttinger Institut für Demokratieforschung und arbeitet dort an der Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politisch-religiöser Extremismen in Niedersachsen (Fodex).

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