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Wenigstens die Uhren gehen gleich: Fünf vor zwölf.

© Ralf Hirschberger, dpa

Streit in der Union: Merkel, Seehofer und die Lehre von Kasan

Der Streit zwischen Merkel und Seehofer ist eine Zumutung. Niemand kann weitermachen in der Hoffnung, es werde sich schon fügen. Ein Kommentar.

Seien wir ehrlich, das ist es doch, was eine Mehrheit nach der Schmach von Kasan jetzt denkt: Autos, Flughäfen, Fußballspielen – wir bekommen es nicht mehr hin. Und dann haben wir in der Politik auch noch ein Paar an der Spitze, das sich psychopathologisch verhält. Es nimmt ein Land gefangen mit seinem Krach. So driftet Deutschland in die Depression.

Ganz unberechtigt ist das Gefühl nicht. Zu viel läuft nicht oder läuft schief. Obwohl das Eigentliche an dieser Situation ist, dass in jedem dieser Fälle die Entwicklung länger schon absehbar war. Die Verantwortlichen wollten sie nur nie wahrhaben. Von wegen Betrachten der Wirklichkeit. Das Motto war einerseits: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Und andererseits, gerade am Beispiel der Unionsparteien zu besichtigen: Denk ich an mich, ist genug an alle gedacht.

Der Bundespräsident war deutlich

Ist es natürlich nicht. Der Bundespräsident war mit seiner Kritik an Angela Merkel und Horst Seehofer deutlich, aber doch noch präsidial im Vergleich zu dem, was die beiden anrichten. Eine Zumutung ist das, vor allem das Beharren auf ihren jeweiligen Positionen im Flüchtlings- und Asylstreit. Weil beide aus C-Parteien kommen, christlichen Parteien, verstehen Merkel und Seehofer es vielleicht so besser: Sie versündigen sich an Deutschland und an Europa, und das ist für die Welt von Übel.

Die Sache gibt ein solches Verhalten nicht her. Die Zahlen neu hinzukommender Flüchtlinge sind gering, die Asylzahlen noch geringer, die Länder bekommen es in den Griff. Selbst in Sachsen rangiert das Thema bei dem, was eine Mehrheit aktuell wichtig findet, auf einem hinteren Rang. Und auch die konservativsten CDUler fanden es prima, dass das Thema endlich in geordneten Bahnen zu laufen schien. Genau diese Entwicklung hätte man jetzt all denen klar machen müssen, die immer noch „Überfremdung“ albträumen. Stattdessen dieser binnenpolitische Albtraum mit unverantwortlichen Verantwortlichen.

Die deutsche Gesellschaft in ihrer Vielfalt ist viel weiter als die grauen Damen und Herren, die sie in diesem Streit zu vertreten meinen. [...] Nur Mut! Seid locker, Germans! Es gibt noch Genies unter euch, die es besser können.

schreibt NutzerIn vegetable

Priorität hat das Ego

Natürlich lässt sich, wie der Präsident sagt, bei einigem guten Willen eine Lösung finden. Sicherung nach innen und nach außen ist so national, wie sie europäisch ist. Und wenn es zusätzliches Geld kosten würde – Deutschland hat erstens gerade genug davon, zweitens lassen sich im Haushalt immer Einsparmöglichkeiten finden. Alles ist eine Frage der Prioritäten. Wenn die Priorität das Ego ist, dann wird es schwierig.

Sind Politiker aber nicht dafür gewählt zu sehen, was die meisten Wähler bewegt? Das sind die Themen: Bildung organisieren, Kriminalität bekämpfen, Bürokratie ab- und digital umbauen, medizinische Versorgung sichern. Anstatt hierzu Konzepte vorzulegen, die das Morgen in die Gegenwart übersetzen, wird ein Thema wieder hochgezogen, das gesellschaftlichen Konsens verlangt, keine Konfrontation. Vorsicht – so wird die Depression immer noch schlimmer!

Was ist dann also jetzt eine der Lehren aus Kasan? Dass die Verantwortlichen die Situation annehmen müssen. Niemand soll einfach weitermachen in der blanken Hoffnung, alles werde sich schon fügen, irgendwie. Denn das gelingt nicht. Nicht beim Diesel, nicht beim Flughafen, nicht beim Fußball, und erst recht nicht, wenn Staat gemacht werden soll. Ob die Verantwortlichen dazu aber überhaupt noch willens sind – das können sie sich ja wie der Bundestrainer in den nächsten Tagen noch überlegen.

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