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Politik: Streit mit Symbolwirkung

CDU-Landeschefs sehen durch die Debatte um Kündigungsschutz das soziale Profil der Partei gefährdet

Berlin - Die ersten CDU-Landeschefs haben genug vom Streit über den Kündigungsschutz. Sie mahnen ihre Partei zu mehr Besonnenheit: „Es hat keinen Sinn, jetzt in einen Wettbewerb um den radikalsten Vorschlag einzutreten und immer mehr Menschen zu verprellen“, sagt der CDU-Vorsitzende aus Rheinland- Pfalz, Christoph Böhr. „ Man sollte in der Union langsam vorsichtig sein und nicht das Kind mit dem Bade ausschütten“, fordert auch Saar-Ministerpräsident Peter Müller. Der Arbeitnehmerflügel ist schon seit einer Woche auf den Barrikaden. „Es muss Schluss sein mit dem neoliberalen Sommertheater“, fordert der Chef der CDU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag, Gerald Weiß, entnervt.

Stein des Anstoßes war ein Diskussionspapier zur Arbeitsmarktreform, das CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und der hessische CDU-Politiker Franz Josef Jung am Montag vor einer Woche vorgelegt hatten. Das Papier, das Grundlage für den Parteitag im Dezember sein soll, geht beim Thema Kündigungsschutz deutlich über bisherige Beschlüsse hinaus. Die Skeptiker unter den CDU-Landesfürsten wollten das Papier zunächst ignorieren. Doch ein erneuter Vorstoß von CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz, der am Wochenende den Kündigungsschutz grundsätzlich in Frage stellte, lockte nun die Kritiker aus der Reserve. Davon halte er gar nichts, sagte Müller dem Deutschlandfunk. „Wir wollen in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse.“

Politiker wie Müller und Böhr fürchten, dass der CDU ihr soziales Profil abhanden kommt. „Die Union ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft heißt, dass es eben auch Arbeitnehmerschutzrechte geben muss“, mahnt Müller. Und Böhr ergänzte am Montag in Mainz, Deutschland bleibe in der Reformblockade stecken, wenn bei der Mehrheit der Bürger „die Verlustangst größer ist als die Hoffnung auf Besserung“. Ziel der Union müsse es sein, eine beschäftigungsfreundliche Politik einzuleiten, ohne Arbeitnehmer schutzlos zu machen.

Andere in der CDU wählen lieber offene Worte: „Man muss vor der Wahl sagen, was man tun will, auch wenn dabei einige potenzielle Sympathiekiller sind“, findet Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. „Wir müssen die Debatte durchstehen, um die Berechtigung zu erwerben, diese Politik dann auch durchzusetzen“, argumentiert der CDU- Politiker in der „Berliner Zeitung“.

Der SPD kommt die CDU-interne Debatte über den Kündigungsschutz gelegen – dient sie doch der Polarisierung zwischen den politischen Lagern. „Die Merkel-CDU verrät die dem ganzen Land gemeinsamen Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft“, sagt der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Für den stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg markieren Forderungen nach einer Abschaffung des Kündigungsschutzes eine „außerordentlich bedenkliche Entwicklung“.

Der Kündigungsschutz ist in Deutschland ein Thema mit großer Symbolwirkung. Dass neue Jobs geschaffen werden, allein weil der Kündigungsschutz gelockert wird, bezweifeln Experten. Nachdem die Kohl-Regierung 1996 den Kündigungsschutz für kleine Firmen abgeschafft hatte, entstanden nicht nachweisbar zusätzliche Arbeitsplätze. Auch eine OECD-Studie sah keinen solchen Zusammenhang. Mehr Kündigungsschutz führe allerdings zu einem höheren Anteil der Langzeitarbeitslosen, weil es auf dem Arbeitsmarkt dann weniger Bewegung gibt.

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