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Der polnische Botschafter Andrzej Przylebski.

© Bernd Settnik/dpa

Streit um Aussage zu deutscher Polenpolitik: Die ungehaltene Rede des polnischen Botschafters

Gilt das gesprochene Wort? Botschafter Przylebski nennt die deutsche Polenpolitik "eine Katastrophe", verändert den Satz aber im offiziellen Redemanuskript.

Es gilt das gesprochene Wort. So steht es gewöhnlich auf den Manuskripten offizieller Reden. Polens Botschafter Andrzej Przylebski versucht das Prinzip umzukehren. Er möchte nicht mit den Sätzen zitiert werden, die er gesagt hat. Sondern mit alternativen Passagen aus einem Manuskript, das die polnische Botschaft auf ihrer Webseite veröffentlicht – obwohl er die dort publizierte Rede gar nicht so gehalten hat.

Der Botschafter äußert sich provokant

Ende vergangener Woche hatte das Auswärtige Amt zu einer Konferenz über „Ein Jahrhundert deutscher Polenpolitik (1918–2018)“ geladen. Der schuldbewusste Blick auf den Umgang mit dem Nachbarn im Osten war als Geschenk zum 100. Geburtstag der staatlichen Wiedergeburt Polens gedacht. Außenminister Heiko Maas bat in seiner Eröffnungsrede um Vergebung, erinnerte an die Aussöhnung nach 1989 und warb für Kooperation.

Przylebski sagte in seiner Gegenrede jedoch, die gesamten 100 Jahre seien „eine Katastrophe“ gewesen, also auch die Zeit nach 1989, in der Deutschland sich bemüht hatte, ein guter Nachbar zu sein, und Polens Beitritt zu Nato und EU unterstützte. Die Wende nach 1989 sei „nicht so verlaufen, wie es sich die meisten Polen gewünscht hatten“, betonte der Botschafter. Die Nachbarschaft sei „nicht zufriedenstellend“. Konferenzteilnehmer reagierten enttäuscht und empört. Gesine Schwan, lange Polenbeauftragte der Bundesregierung, wies diese Deutung zurück und bekam starken Beifall. Przylebski korrigierte seine Aussage jedoch nicht. Im Auswärtigen Amt wird seine Rede als Affront verstanden.

Druck auf Medien, ihre Berichte zu korrigieren

Dann geschah Erstaunliches. Nachdem der Tagesspiegel, die Deutsche Welle und polnische Medien wie die oppositionelle "Gazeta Wyborcza" über Przylebskis Auftritt berichtet hatten, wurden sie aufgefordert, ihre Darstellung zu korrigieren – unter Verweis auf ein angebliches Redemanuskript Przylebskis auf der Webseite der Polnischen Botschaft. Dort steht der Satz abgeändert: „Mehr als die Hälfte der letzten hundert Jahre von deutscher Polenpolitik (sind) eine Katastrophe gewesen“.

Das Auswärtige Amt hat die Konferenz mitgeschnitten, reagierte zunächst aber nicht auf die Bitte um Aufklärung, was der Botschafter gesagt hat und was nicht. Es verweist darauf, die Veranstaltung sei presseöffentlich gewesen und sie werde noch dokumentiert. Offenbar möchte es den Konflikt begrenzen.

Ein Tonband bringt die Klärung

Journalisten haben Przylebskis Rede jedoch aufgenommen. Ihre Tonaufnahmen belegen: Er hat nicht nur die gute Hälfte, sondern die ganzen 100 Jahre als „Katastrophe“ bewertet. Auf der Webseite der Botschaft steht weiter die ungehaltene Rede. Der Glaube, dass Regierungsvertreter mit „alternativen Fakten“ eine andere Realität schaffen können, beschränkt sich nicht auf Donald Trumps USA.

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