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Streit um Betreuungsgeld: 150 Euro für die Manager-Frau, nichts für die Hartz-IV-Mutter

Gutverdiener könnten es bekommen, während eine Alleinerziehende womöglich leer ausgeht: Das umstrittene Betreuungsgeld soll nach Plänen der Regierung mit Hartz IV verrechnet werden – die Opposition schäumt.

Von Robert Birnbaum

„Parlamentarische Stimmen“, sagt der Regierungssprecher, seien „vollkommen frei“. Die verfassungstheoretisch anmutende Feststellung soll vermutlich ausdrücken, dass Steffen Seibert und seiner Auftraggeberin Angela Merkel die tägliche Debatte über das Betreuungsgeld allmählich wirklich auf die Nerven geht – und die gerade frisch aufgelebte Variante dieses Streits erst recht. Es geht um die nur auf den ersten Blick harmlose Frage, ob das Betreuungsgeld eigentlich auch Hartz-IV-Familien zugute kommt.

Für CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt war am Dienstag, darauf angesprochen, die Sache klar: Nein, kommt es nicht. Die Leistung werde angerechnet – sie würde also ausgezahlt, aber per Hartz-IV-Verrechnung gleich wieder einkassiert. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Müller legt anderntags nach: „Es wird so verfahren wie bei anderen familienrechtlichen Leistungen, etwa dem Kindergeld.“

Das klingt auf den ersten Blick logisch. Schließlich ist Hartz IV eine Mindestsicherung. Logisch ist auch, dass die Opposition sich aufregt, erstens weil sie Betreuungsgeld sowieso falsch findet und zweitens, weil es wunderbar taugt, die intern zerrissene Union in den laufenden Wahlkämpfen vorzuführen. „Hier soll partout ein veraltetes Familienbild der CSU durchgesetzt werden“, ätzt denn auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und erklärt die Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein zu „einer Art Volksabstimmung“. „Das ist absurd“, ergänzt seine Generalsekretärin Andrea Nahles. Denn es bedeute, so rechnet es Nahles im ARD-„Morgenmagazin“ vor, dass die gut situierte Managergattin die 100 respektive 150 Euro bekommen werde, die arbeitslose Alleinerziehende ohne Aussicht auf einen Kita-Platz aber nicht.

Die Ministerien hüllen sich in Schweigen

Ob es allerdings so kommt, ist nicht gewiss. Die zuständigen Ministerien hüllten sich am Mittwoch in Schweigen darüber, ob der ausstehende Regierungsentwurf zum Betreuungsgeld eine Anrechenklausel enthalten wird. Nach dem Sozialgesetzbuch werden staatliche Leistungen, die dem Lebensunterhalt dienen, grundsätzlich auf Hartz IV angerechnet, zweckbestimmte Wohltaten hingegen nicht. Die Eigenheimzulage etwa war, als es sie noch gab, anrechnungsfrei. Wie stark politische Erwägungen das Urteil über die Rechtsfrage beeinflussen können, hat sich beim Erziehungsgeld gezeigt: Als die große Koalition die Lohnersatzzahlung einführte, wurde sie für anrechnungsfrei erklärt; erst 2011 definierte die schwarz-gelbe Regierung sie im Rahmen eines Sparpakets zum Lebensunterhalt um, der seither auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird.

In der Koalition ist über die Frage bisher nicht gesprochen worden. Jedenfalls können sich weder FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle noch andere Teilnehmer der entscheidenden Koalitionsrunde im November 2011 an eine solche Nebenabsprache erinnern. Die CSU hat diesen Kurs allerdings früh verfolgt. Parteichef Horst Seehofer hat sich schon im November in der „Wirtschaftswoche“ für eine Anrechnung ausgesprochen, wegen des Lohnabstandsgebots und um „falsche Anreize“ zu vermeiden. In der Regierung und in der Union gehen viele davon aus, dass es am Ende zur Anrechnung kommen wird.

Selbst SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann vermutet, dass die Regierung rechtlich gar nicht daran vorbeikommen werde. Für den Sozialdemokraten ist das allerdings nur ein neuer Beleg dafür, dass das Betreuungsgeld in jeder Hinsicht der falsche Weg sei – familienpolitisch, bildungspolitisch und jetzt eben auch noch sozial.

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