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Politik: Streit um den Kurs von Bertelsmann

Konzernchef Middelhoff für US-Firma AOL Time Warner im Gespräch/Vorgänger Wössner: Unternehmens-Philosophie wird zerstört

Berlin (mot/uwe). Dem Bertelsmann-Konzern steht nach der überraschenden Trennung von Vorstandschef Thomas Middelhoff offenbar eine strategische Neuorientierung bevor. Insidern zufolge wird sich Deutschlands größtes Medienunternehmen danach nicht wie geplant im Jahr 2005 zu weiten Teilen der Börse öffnen. Darüber hatte es zwischen Middelhoff und dem Aufsichtsrat dem Vernehmen nach heftigen Streit gegeben, hieß es am Montag aus Unternehmenskreisen. Middelhoff habe verlangt, größere Anteile an die Börse zu bringen, um seine Expansionsstrategie weiterführen zu können. Dies habe der Aufsichtsrat abgelehnt.

Der Börsengang von Bertelsmann war eines der großen Zugeständnisse gewesen, das Firmenpatriarch Reinhard Mohn dem 49-jährigen Middelhoff gemacht hatte. So hat der Bertelsmann-Minderheitsgesellschafter, die Group Bruxelles Lambert, das Recht, seinen 25-Prozentanteil an Bertelsmann im Jahr 2005 an der Börse zu verkaufen. Dies setzt allerdings voraus, dass das ganze Unternehmen bis dahin börsenfähig ist. An diesem Ziel soll festgehalten werden, ein Verkauf von mehr als 25 Prozent ist aber unwahrscheinlich geworden.

Über den Kurs Middelhoffs hatte es zunehmend Streit gegeben. Während dieser weiter in die elektronischen Massenmedien, das Musikgeschäft und das Internet investieren wollte, plädierten andere Manager im Unternehmen für eine Besinnung auf das traditionelle Geschäft. Vor allem der frühere Chef der Verlagstochter Gruner & Jahr, Gerd Schulte-Hillen, soll Middelhoffs Kurs als einflussreicher Bertelsmann-Aufsichtsratschef mit Vehemenz abgelehnt haben. Das Maß war offenbar voll, als Middelhoff vor wenigen Wochen in einem Zeitungsinterview erklärte, dass die Fachverlage nicht mehr zum Kerngeschäft gehörten und zum Verkauf stünden. Diese Verlage, unter anderem den renommierten Springer-Verlag, hatte er erst kurz zuvor erworben.

Über die Zukunft Middelhoffs gab es am Montag viele Gerüchte: Die Aktie der Deutschen Telekom profitierte zunächst von der Spekulation, Middelhoff werde möglicherweise Nachfolger des kürzlich gefeuerten Ron Sommer. Das Papier legte um fast fünf Prozent auf 12,50 Euro zu, fiel später jedoch zurück, als keine Bestätigung für den Wechsel zu bekommen war. Für wahrscheinlicher wird das Gerücht gehalten, dass Middelhoff ein Angebot des US-Medienkonzerns AOL Time Warner hat. In dem US-Unternehmen musste nahezu die gesamte Führungsspitze abtreten, als bekannt wurde, dass die Bilanzen nicht in Ordnung sind. Middelhoff ist dem AOL-Aufsichtsratschef Steve Case freundschaftlich verbunden.

An die Bertelsmann-Spitze rückt mit Gunter Thielen nun ein Vertrauter der Familie Mohn, der seit 20 Jahren im Konzern ist und das traditionelle Bertelsmann–Geschäft verantwortet hat. Kritik an dem Führungswechsel äußerte der ehemalige Bertelsmann-Chef und Middelhoff-Vorgänger Mark Wössner. „Bei Bertelsmann ist eine idealtypische Unternehmens-Philosophie kaputt gegangen: Die jungen Leute rücken nicht mehr nach.“, sagte er dem Tagesspiegel.

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