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Wenn die Rente nicht reicht. Auf geringfügige Altersbezüge will der Bund künftig einen Zuschlag draufsetzen – umstritten ist nun, ob das einheitlich sein soll oder je nach Region gestaffelt. Auf dem Land ist die Lage anders als in Großstädten. Foto: Theo Heimann/dapd

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Streit um die Lebensleistungsrente: Das Wohnortprinzip

FDP und CSU wollen den versprochenen Zuschlag auf Mini-Renten regional staffeln. Experten bezeichnen das als undenkbar.

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Berlin – Im Streit über die Rentenpläne der Koalition will nach der CSU jetzt auch die FDP die vom Koalitionsausschuss beschlossene „Lebensleistungsrente“ je nach Region unterschiedlich ausgestalten. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle widersprach am Mittwoch sowohl Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als auch dem eigenen Rentenexperten Heinrich Kolb. Es werde weder ein bundesweiter Höchst- noch ein Durchschnittssatz gezahlt werden, um Mini-Renten über die Grundsicherung anzuheben, sagte er. Ebenso wie die Grundsicherung könne der geplante Zuschuss „nur regional differenziert werden“. Zu rechnen sei mit einer Aufstockung um 10 bis 15 Euro über dem in den Gemeinden jeweils geltenden Grundsicherungssatz.

Der Vorsitzende des Sozialbeirats, Franz Ruland, hält dieses Verfahren für nicht umsetzbar. Es sei „undenkbar, dass die Lebensleistungsrente, wenn sie denn überhaupt kommt, in der Höhe abhängig vom Wohnort gezahlt wird“, sagte der renommierte Rentenexperte dem Tagesspiegel. Damit betriebe man „eine Regionalisierung der Rentenversicherung, die zu Recht immer abgelehnt wurde“. Die Versicherer müssten dann bei jeder Änderung kommunaler Regelsätze auch ihre Rentenbescheide ändern. „Das kann niemand ernsthaft wollen.“ Regional differenzierte Leistungen seien nur denkbar, wenn es Sozialhilfeleistungen seien, die von Kommunen gezahlt und verantwortet würden. Dies hätte dann aber vermutlich zur Folge, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen müsste. Und in der Länderkammer hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit.

Ruland wandte sich allerdings auch gegen Leyens Vorhaben, Kleinrenten einheitlich über den bundesweit höchsten Grundsicherungssatz hinaus aufzustocken. „Geringverdiener in teuren Städten lägen dann mit ihrer Lebensleistungsrente knapp über der Grundsicherung, die Bewohner strukturschwacher Regionen deutlich darüber“, sagte der langjährige Geschäftsführer des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger – und dies sei „ungerecht“. An der ganzen Diskussion zeige sich, „wie verkehrt es ist, Fürsorge- und Versicherungsleistungen vermischen zu wollen“. Die Lebensleistungsrente könne etwa in Regionen mit hohen Wohnkosten den Betroffenen den Gang zum Sozialamt nicht ersparen – und dies schon gar nicht, wenn zusätzlich Hilfen in besonderen Lebenslagen benötigt würden. Und da auch die Lebensleistungsrente eine Prüfung von Einkommen und Vermögen voraussetze, müsse die Rentenversicherung „überflüssige, aber teure bürokratische Doppelstrukturen“ aufbauen. „All diese Probleme ließen sich vermeiden, wenn man alten Menschen, die fürs Alter vorgesorgt haben, in der Grundsicherung höhere Freibeträge eingeräumt hätte“, sagte Ruland. Diese müssten aber auch die gesetzlichen Renten begünstigen. „Eine Begrenzung auf private Vorsorge wäre gleichheitswidrig.“

Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch eine Reihe von Gesetzentwürfen auf den Weg, die andere Beschlüsse der Koalitionsrunde umsetzen sollen – darunter Ergänzungen zum Betreuungsgeld und die Abschaffung der Praxisgebühr für gesetzlich Versicherte. Wie das Innenministerium bestätigte, soll letzteres zeitgleich auch den Beamten zugute kommen. Noch in dieser Woche werde man die „wirkungsgleiche Umsetzung“ des Beschlusses für die Staatsdiener auf den Weg bringen, sagte ein Ministeriumssprecher. Dazu sei eine Anpassung des Beihilferechts notwendig. Seit 2004 wird auch privat versicherten Beamten die Beihilfe um zehn Euro pro Quartal gekürzt, wenn sie sich bei einem Arzt oder Zahnarzt behandeln lassen. Insgesamt summiert sich das allein bei den Bundesbeamten auf etwa 14 Millionen Euro. Der Deutsche Beamtenbund forderte entsprechende Übertragungen auch für die Länder und Gemeinden.

Das nächste Spitzentreffen der Koalition dürfte Anfang Dezember stattfinden. Anders als von FDP-Politikern angekündigt, gebe es vorher keinen Termin, sagte ein Regierungssprecher.

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