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Zwei Wehrdienstleistende der Panzerbrigade 12 verlassen in der Leopold-Kaserne in Amberg nach ihrer offiziellen Verabschiedung aus dem Grundwehrdienst ihre Unterkunft. 2011 war die Wehrpflicht ausgesetzt worden.

© dpa

Streit um Dienstpflicht: Es geht nur freiwillig

Rückkehr der Wehrpflicht? Deutschlandjahr für alle? Junge Leute sollen mehr für die Gemeinschaft leisten. Aber die Lösung kann nur freiwillig sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Zeigt nicht die Coronakrise, wie wichtig Engagement für die Gesellschaft ist? Schon lange wurde nicht mehr so intensiv über Solidarität und mehr Wertschätzung diskutiert. Es wird in der Krise aber auch lautstark nach dem Staat gerufen, er soll möglichst allen von den Verwerfungen Betroffenen helfen. Schon John F. Kennedy sagte in seiner Antrittsrede als US-Präsident: "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt."

Die von der Wehrbeauftragten Eva Högl angestoßene Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht zielt zwar in die falsche Richtung und entsprechend ist das Echo. Aber richtig ist, dass es dringend eine Debatte braucht, wie mehr junge Leute wieder für einen Dienst für die Gesellschaft gewonnen werden können. Nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch in Pflege- und Altenheimen, im Umweltschutz und bei der Feuerwehr.

Viele Gründe gegen Wehrpflicht

Für die Wiederkehr der Wehrpflicht ist weder die sicherheitspolitische Notwendigkeit gegeben, noch kann die Bundeswehr Hunderttausende Wehrpflichtige unterbringen oder ausbilden, zumal heute aus verfassungsrechtlichen Gründen Männer wie Frauen betroffen wären.
Das würde das Problem der fehlenden Wehrgerechtigkeit verschärfen, das schon 2011 zur Aussetzung der Wehrpflicht geführt hatte. Die Bundeswehr wandelt sich zu einer Spezialistenarmee und würde zu den aktuell etwa 9000 freiwillig Wehrdienstleistenden nur einige tausend zusätzlich im Jahr brauchen. Daher würde nur ein Bruchteil eines Jahrgangs eingezogen werden können.

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Högl begründete ihren Vorstoß mit rechtsextremen Vorfällen in der Truppe. Die Überlegung ist, dass durch die fehlende Wehrpflicht auch das Personal nicht mehr den Querschnitt der Bevölkerung abbildet und anfälliger für rechte Umtriebe sein könnte. Das schafft den fatalen Eindruck eines Generalverdachts. Richtig dagegen ist es, zu überlegen, wie die Bindung zwischen Bundeswehr und Bevölkerung verbessert werden kann, mithin die Soldaten mehr Akzeptanz finden. Die Gratisbahnfahrten in Uniform sind da ein guter erster Ansatz gewesen.

Alternativdienst "Dein Jahr für Deutschland"

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will nun zusätzlich zum bis zu 23 Monate dauernden freiwilligen Wehrdienst einen neuen Freiwilligendienst anbieten ("Dein Jahr für Deutschland"), damit weitere Jugendliche eine sechsmonatige militärische Grundausbildung bekommen. Danach sollen sie für sechs Monate heimatnah zu Reservediensten herangezogen werden.

Das ab 2021 geplante Projekt ist sinnvoll, zumal gerade die Reserve überaltert ist. Der Sockel würde verbreitert, wenn das Angebot Anklang findet. Und es könnte die Qualität der Truppe verbessern: Während es auf eine Offiziersstelle fünf Bewerber gibt, ist es bei der Mannschaftslaufbahn oft nur ein Bewerber je Stelle.

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Wer noch Wehr- oder Zivildienst leisten musste, hat Erfahrungen fürs Leben mitgenommen, das prägte und schärfte die Sinne. Gerade in der zunehmend individualisierten und polarisierten Welt von heute gilt: Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaat sind nicht gottgegeben – sondern erfordern Mittun. Aktuell zeigt zudem die Coronakrise, wie wichtig das Miteinander der Generationen ist.

Warum nicht 400.000 Stellen für neuen Freiwilligendienst?

Aber alle alternativ zur Wehrpflicht eingebrachten Vorschläge für ein verpflichtendes Dienstjahr dürften ebenso an juristischen Hürden scheitern. Der einfachste Weg wäre daher auch im zivilen Bereich der freiwillige.

Erinnert sei hier an einen Beschluss der CDU beim Bundesparteitag 2015 in Karlsruhe: Auf Basis des bestehenden Bundesfreiwilligendienstes solle ein freiwilliger Gesellschaftsdienst für 18- bis 25-Jährige etabliert werden, mit bis zu 400.000 Stellen, also für etwa zwei Drittel eines Geburtsjahrganges. Heute mangelt es oft schon an verfügbaren Stellen. Dieser Dienst sollte auch Asylbewerbern mit Bleibeperspektive offenstehen.

Das wäre der leichtere und schnell zu realisierende Weg. In der Krise scheint vieles an Veränderungen möglich – warum nicht auch das?

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