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Politik: Streit um eine Stasi-Überprüfung aller Politiker

Niedersachsens Landeschef Wulff spricht von einer Selbstverständlichkeit / SPD-Experte Wiefelspütz: Forderung völlig überzogen

Berlin (Ch.B./raw). Nach der Affäre um Kontakte des Autors Günter Wallraff zur Staatssicherheit der DDR und dessen mögliche Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter haben führende Politiker von Union und SPD nun eine generelle Überprüfung aller Mandatsträger auf StasiKontakte gefordert. Dies soll mit Hilfe der so genannten Rosenholz-Dateien geschehen, in denen mehr als 20 000 Inoffizielle Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit verzeichnet sind.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte „Bild am Sonntag“: „Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Politiker in Bund und Land daraufhin überprüfen lassen, ob sie in Machenschaften mit der Stasi verwickelt waren. In meinen Augen ist es sogar verwerflicher, ohne jede Not im demokratischen Rechtsstaat Westdeutschland gemeinsame Sache mit der Stasi gemacht zu haben, als im Unrechtsregime DDR in Verstrickung geraten zu sein.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Staatssekretär im Verkehrsministerium Stephan Hilsberg stimmte dieser Einschätzung zu: „Deutschland hat ein Recht darauf zu wissen, wer zu Zeiten der Diktatur mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet hat. Der Bundestag sollte ein Verfahren beschließen, mit dem alle Abgeordneten auf Stasi-Verstrickungen hin untersucht werden.“ Der SPD-Abgeordnete Markus Meckel sagte: „Ich hielte es für angemessen, wenn auf Grund der Rosenholz-Akten jetzt auch Bundestagsabgeordnete aus dem Westen auf eine mögliche Stasi-Vergangenheit überprüft würden.“ Der CDU-Abgeordnete Günter Nooke forderte: „Alle Funktionsträger in Ost- und Westdeutschland sollten auf ihre Stasi-Vergangenheit überprüft werden.“ Zustimmung kam auch vom Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. „Eine solcher Schritt ist lange überfällig“, sagte der Stasi-Experte dem Tagesspiegel. Es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch westdeutsche Abgeordnete kontrolliert werden. „Und es wäre ein gutes Signal dafür, dass die Stasi ein gesamtdeutsches Problem war.“

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz bezeichnete dagegen Wulffs Forderung als „Blödsinn“ und „völlig überzogen“. Im Stasi-Unterlagen-Gesetz sei geregelt, dass die Birthler-Behörde bei Erkenntnissen über Politiker von Amts wegen den Bundespräsidenten und den Immunitätsausschuss informiert, sagte Wiefelspütz dem Tagesspiegel. Er sei auch dafür, die Rosenholz-Dateien öffentlich zu machen und sich zu einer gesamtdeutschen Verantwortung für die Stasi zu bekennen. „Aber ein Zwangsscreening für alle – das ist hysterisch.“ Es gebe keinen Anlass zu einer „Beschäftigungstherapie für die Birthler-Behörde“. Deren Chefin, Marianne Birthler, hatte in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt: „Parlamente, öffentliche Rundfunkanstalten oder Hochschulen sollten von sich aus entscheiden, ob sei eine Überprüfung der Mitarbeiter durchführen.“

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