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Politik: Streit um IM-Klarnamen bald wieder vor Gericht

Von Pfarrer im Vogtland initiierte Ausstellung ist ungeschwärzt zu sehen – und wurde erweitert

Von Matthias Schlegel

Berlin - Die juristische Auseinandersetzung über die von dem Zwickauer Pfarrer Edmund Käbisch initiierte Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“ geht in eine neue Runde. Der Anwalt von Holm S., dem in der Ausstellung mit seinem Klarnamen genannten ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiter (IM) „Schubert“, will dieser Tage die Klageschrift für ein Hauptsacheverfahren gegen den Ausstellungsinitiator einreichen. Das sagte Rechtsanwalt Thomas Höllrich dem Tagesspiegel.

Die von Käbisch gemeinsam mit Reichenbacher Gymnasiasten erarbeitete Ausstellung ist seit Anfang der Woche in der Erzgebirgsstadt Schneeberg wieder ohne Schwärzungen, also mit Angaben zur Person von Holm S. zu sehen. Nach einer von Anwalt Höllrich beim Landgericht Zwickau Anfang März erwirkten einstweiligen Verfügung hatten die Ausstellungsmacher zunächst die Tafeln über Holm S. geschwärzt. Am 22. April hob dann das gleiche Gericht diese Verfügung wieder auf, weil sie in Bezug auf zwei der drei genannten Beklagten – unter anderen die Stadt Reichenbach, die die Ausstellung in ihrem Rathaus gezeigt hatte – unbegründet gewesen sei. Käbisch selbst hatte persönlich nicht zu den Beklagten gehört. Inhaltlich setzte sich das Gericht allerdings nicht mit der schwerwiegenden Frage auseinander, ob die allgemeinen Persönlichkeitsrechte von S. oder das Aufarbeitungsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Das könnte nun im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden, das damit einen entscheidenden Punkt bei der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit behandeln müsste.

Pfarrer Käbisch hat indes die aktuelle Ausstellung noch erweitert. So wurde zusätzlich der von der Stasi angelegte „operative Vorgang“ (OV) „Landstraße“ aufgenommen. Darin geht es um Sabine Popp, die Ende der 70er Jahre als 18-Jährige im Vogtland DDR-kritische Losungen auf Landstraßen und an Brückenpfeiler geschrieben hatte. „Ich schrieb, was ich mir wünschte“, sagt sie heute: „,Wiedervereinigung‘ oder ,Die Mauer muss weg‘.“ Sie löste eine fieberhafte Fahndung der Staatssicherheit aus. Der Einzige, dem sie sich damals anvertraute, war ihr gleichaltriger Bekannter Holm S. 1980 wurde sie festgenommen und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach zweieinhalb Jahren wurde sie von der Bundesrepublik freigekauft. 1994 siedelte sie aus Frankfurt am Main wieder in ihre vogtländische Heimatgemeinde Neumark um.

Dort wohnt auch heute noch Holm S., der, wie sie sagt, in den Stasiakten eindeutig als der Verräter identifiziert sei – was ihr ohnehin seit damals klar gewesen sei. Man sieht sich, man spricht mal ein paar Worte, aber nie über „diese Sache“, die Sabine Popp „eigentlich ruhen lassen wollte“. Doch das juristische Vorgehen des Anwalts von IM „Schubert“ habe sie bewegt, das Ausstellungsprojekt zu unterstützen. „Das ist mein Leben. Niemand kann mir verbieten, darüber zu berichten“, sagt sie. Vehement bestreitet sie, dass es gegen S. eine „Pogromstimmung“ gebe, wie es sein Anwalt beschrieben hatte. „Wir leben hier wie immer – es wird Rasen gemäht und Holz gemacht.“

Anwalt Höllrich will sich noch nicht festlegen, ob er erneut eine einstweilige Verfügung erwirkt, da er die Ausstellung in Schneeberg noch nicht gesehen hat. Es komme darauf an, ob von ihr „wieder eine Prangerwirkung ausgeht“.

Brisanz erhält der Konflikt auch dadurch, dass die Ausstellung vor einer Woche auf dem Landesparteitag der Sachsen-CDU gezeigt wurde – ohne Schwärzungen. Es habe im Plenum „großen Beifall“ dafür gegeben, sagt Käbisch. Es sei keine „Stasiausstellung“. Vielmehr werde „dokumentiert, wie die Worte der Bibel in der DDR umgesetzt wurden. Und da werden eben Märtyrer ebenso beim Namen genannt wie ,falsche Fuffziger‘“, sagt Käbisch. Auf dem Parteitag wurden Kanzleramtschef Thomas de Maizière, Georg Milbradt und Stanislaw Tillich, der alte und der neue Regierungschef, durch die Schau geführt. Von Milbradt steht im Gästebuch: „Eine wichtige Ausstellung“.

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