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Vor zwölf Jahren. Gregor Gysi (rechts) und Sigmar Gabriel bei einer Talkrunde in Hannover

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Update

Streit um Krim, Ukraine und Russland: Petra Pau: Zwischen Grünen, Linken und SPD tobt ein Krieg

Wer liegt richtig auf der Krim? Linkspartei, SPD und Grüne befehden sich heftig. Die Linke Petra Pau sagt: Jegliche Vernunft hat Schwindsucht. Derweil will ihr Genosse Wolfgang Gehrcke nach Moskau reisen.

Von Matthias Meisner

Die Linken-Politikerin Petra Pau hat die "deutsche Schlammschlacht" zwischen Linkspartei, Grünen und SPD über den richtigen Kurs gegenüber der Ukraine und Russland als "unsäglich" kritisiert. Es tobe zwischen den drei Parteien "ein Krieg", schreibt die Bundestagsvizepräsidentin auf ihrer Homepage im Internet, "Hasardeure haben Freigang". Pau gehört zu den entschiedenen Verfechtern einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit auch im Bund, die nach den jüngsten Auseinandersetzungen deutlich schwieriger geworden ist.

Pau übt in ihrer "aktuellen Notiz" Kritik sowohl an Politikern der SPD und der Grünen als auch an eigenen Genossen. "Grüne diffamieren Die Linke als Kriegstreiber. Linke brandmarken die Grünen als Pseudo-Faschisten. Und Sozialdemokraten laden Gregor Gysi als persona non grata aus einer vereinbarten Gesprächsrunde aus." Jegliche Vernunft habe Schwindsucht, "kleinkarierte Parteipolitik jubiliert". Noch immer gelte: "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer."

In der Sache warnte Pau von einem Konflikt EU kontra Russland. Dieser werde "keine Sieger haben, nur Verlierer". Ausdrücklich unterstützte sie Fraktionschef Gregor Gysi, der ihr in der Diskussion um die Ukraine "aus der Seele" spreche.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sowie Wolfgang Gehrcke, Ulla Jelpke und Sevim Dagdelen hatten in den vergangenen Wochen die Auseinandersetzungen mit Grünen und SPD heftig angeheizt. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte Wagenknecht vorgeworfen, deren Reden "zur Annexion der Krim durch Russland erinnern an die krampfhaften Rechtfertigungsreflexe kommunistischer Sekten in den 1970er und 1980er Jahren für jedwedes Unrecht, das damals von der Sowjetunion begangen wurde".

Fraktionsvize Gehrcke erwartet von Moskau "neue Westpolitik"

Der Linke-Außenpolitiker Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, will demnächst nach Moskau fahren. Im Verlauf der Tour will er unter anderem hochrangige Regierungsvertreter treffen, die für Europa, die Rüstungspolitik und auch den Nahen Osten zuständig sind, daneben auch den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses in der Staatsduma, Aleksej Puschkow. Gespräche will der Politiker, der im Auftrag der Linksfraktion reist, auch führen mit Vertretern der Regierungsfraktion Einiges Russland, ihrer sozialdemokratischen Variante Gerechtes Russland sowie der KP-Fraktion, "nach Möglichkeit", wie er erklärte, auch mit unabhängigen Menschenrechtsaktivisten. Die zunächst für kommende Woche geplante Reise wurde von Gehrcke allerdings am Donnerstag verschoben, "da gegenwärtig zu wenige seiner Gesprächswünsche erfüllt werden konnten", wie sein Büro mitteilte: "Wir versuchen jetzt, einen Termin in der ersten Aprilhälfte zu finden, der mehr Gesprächsmöglichkeiten zulässt."

Gehrcke sagte am Donnerstag dem Tagesspiegel, die Linke habe "eine Riesenchance, wenn sie sich für eine Kooperation mit Russland einsetzt". Er betonte: "Ich denke nach über eine neue Ostpolitik Deutschlands und will in Moskau klären, ob sich Russland eine neue Westpolitik vorstellen kann." Der zum linken Flügel gehörende hessische Bundestagsabgeordnete verteidigte zugleich seine Kritik an den Grünen. Er hatte kürzlich im ZDF-Interview erklärt: "Im Deutschen Bundestag sind momentan die Grünen der rechte Rand des Bundestages." Gehrcke sagte dem Tagesspiegel dazu: "Es stimmt einfach. Ich liebe zugespitzte Formulierungen. Ich habe überhaupt keine Veranlassung, das zurückzunehmen."

NRW-MdB Höger: Russland hat "gute Gründe" für sein Vorgehen

Die zum linken Flügel gehörende NRW-Bundestagsabgeordnete Inge Höger eine weitere Vorlage für Kritiker einer möglichen rot-rot-grünen Regierungszusammenarbeit. Auf der Seite der Antikapitalistischen Linken im Internet veröffentlichte sie ein "Positionspapier", in dem sie zwar Verständnis für die Proteste gegen die "korrupte Regierung von Janukowitsch" in der Ukraine äußert, Andererseits gebe es "nach dem Regierungswechsel in der Ukraine gute Gründe für Russland, sich den Zugang von der Krim zum Schwarzen Meer für seine Schwarzmeerflotte zu sichern, Russland nicht weiter von der EU und der Nato einkreisen zu lassen". Sie unterstellte EU und Nato, mit der Ukraine "ein Filetstück für die schrittweise Durchdringung der ehemaligen Sowjetunion" unter ihren Einfluss bringen zu wollen.

Ähnlich wie zuvor Wagenknecht, Jelpke und Dagdelen kritisierte Höger die Beteiligung von Rechtsextremisten der Kiewer Übergangsregierung. Sie schrieb: "Mit deutscher Unterstützung wurden faschistische Kräfte gestärkt und stellen nun Minister in der neuen, von einer rivalisierenden Oligarchenclique getragenen Regierung in Kiew."

Krim-Wahlbeobachter nennen Kritik von Riexinger "unangemessen"

Das Europäische Zentrum für Geopolitische Analyse, das die Reise von vier deutschen Wahlbeobachtern zum Krim-Referendum organisiert hatte, äußerte sich verwundert über Kritik von führenden Linken-Politikern an dieser Tour, an der neben den Linke-Landtagsabgeordneten Torsten Koplin und Hikmat Al-Sabty aus Mecklenburg-Vorpommern auch zwei Linke-Mitglieder aus Berlin-Spandau teilgenommen hatten. Die beiden Berliner Teilnehmer der Reise, Piotr Luczak und Monika Merk, die zugleich im Vorstand des Vereins sitzen, erklärten: "Die Tatsache, dass Mitglieder einer politischen Partei an Wahlbeobachtungen teilnehmen, heißt nicht, dass sie in dieser Eigenschaft verreisen." Das Zentrum sei "nicht der verlängerte Arm irgendwelcher parteipolitischer Befindlichkeiten und taktischer Winkelzüge".

Wolfgang Gehrcke
Wolfgang Gehrcke im Februar auf dem Linke-Europaparteitag in Hamburg

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Die Reaktion von Parteichef Bernd Riexinger sei "nicht nachvollziehbar und unangemessen", schrieben Luczak und Merk. Riexinger hatte auf Twitter erklärt: "Wir haben niemanden entsandt und erwarten keinen Bericht. Referendum war gefährlicher Schritt in Richtung Eskalation." Auch Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, hatte sein Befremden ausgedrückt darüber, dass die beiden Linke-Landtagsabgeordneten Koplin und Al-Sabty "als Weltpolitiker" auf die Krim gereist waren. "Das ist jetzt weniger schlau", sagte er am Mittwoch.

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