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Dagegen. Laut Umfragen ist eine Mehrheit der Deutschen gegen eine Verlängerung der Akw-Laufzeiten.

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Streit um Nuklearenergie: Kritik an Regierung vor Atom-Treffen

Die Grünen warnen Koalition bei Akw-Laufzeiten vor einem Verfassungsbruch. Die schwarz-gelbe Koalition will nun am Sonntag entscheiden

Nach monatelangem Ringen will die Bundesregierung am Sonntag über die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke entscheiden. Bei dem Treffen im Kanzleramt soll die Frage abschließend diskutiert und entschieden werden, wie der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), am Freitag sagte. An den Gesprächen nehmen außer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), die Spitzen der schwarz-gelben Koalition sowie die Vorsitzenden der zuständigen Arbeitsgruppen teil.

Pfeiffer kündigte an, dass Mitte kommender Woche die Fraktionen von Union und FDP über den Vorschlag der Spitzenrunde abstimmen sollen. Der Unionspolitiker zeigte sich zugleich überzeugt: „Die Laufzeitverlängerung wird mit Sicherheit vom Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich entschieden werden.“ Mehrere Forschungsinstitute hatten in den vergangenen Wochen die Auswirkungen von Laufzeitverlängerungen um vier, zwölf, 20 und 28 Jahre berechnet. Bislang ist der Atomausstieg für das Jahr 2022 gesetzlich festgeschrieben.

Das Bundespräsidialamt wies derweil einen Zeitungsbericht über eine Vorentscheidung zur Laufzeitverlängerung zurück. Das „Handelsblatt“ hatte berichtet, dass die Meiler laut einem internen Gutachten der Verfassungsjuristen von Bundespräsident Christian Wulff ohne eine Zustimmung des Bundesrats höchstens neun Jahre länger am Netz bleiben können. Das Bundespräsidialamt stellte jedoch klar: „Ein solches Gutachten existiert nicht.“ Man werde die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen, sobald nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein entsprechendes Gesetz zur Ausfertigung vorgelegt wird.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin betonte, Merkel, Röttgen und Brüderle stünden vor der Frage, wie viel Verfassungsbruch sie in Kauf nehmen wollen. Namhafte Verfassungsrechtler hätten bereits festgestellt, dass jede Verlängerung der Laufzeiten für Akw der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sagte er. In der Länderkammer hat Schwarz-Gelb seit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr.

SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber forderte die Kanzlerin auf, den Gipfel am Sonntag abzusagen. Er werde zu einer „reinen Bedienung der Atomlobby degradiert“, wenn die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke festgezurrt werde, bevor man über Energieeffizienz, erneuerbare Energien, intelligente Netze, Verbraucherschutz und mehr Wettbewerb spreche.

Merkel hatte zuletzt Sympathien für eine Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren erkennen lassen, zugleich aber klargemacht, dass sicherheits- und verfassungsrechtliche Fragen ebenfalls berücksichtigt werden müssten. Die Mehrheit der Deutschen lehnt eine Verlängerung der Akw-Laufzeiten um zehn bis 15 Jahre hingegen ab. 59 Prozent sprachen sich im ARD-DeutschlandTrend gegen den Vorschlag Merkels aus, 37 Prozent fanden ihn grundsätzlich richtig.

Nach einer von der Umweltorganisation Greenpeace angestellten Berechnung könnten schon zehn Jahre dazu führen, dass das letzte Atomkraftwerk erst 2053 vom Netz geht – und damit nicht zehn, sondern etwa 30 Jahre nach dem im Atomausstieg von 2002 vereinbarten Zeitpunkt. „Zehn oder 15 Jahre Laufzeitverlängerung – das klingt harmlos, ist es aber nicht“, erklärte deren Atomexperte Tobias Riedl. Grund sei, dass bei schärferen Vorschriften ältere Reaktoren stillgelegt und deren Reststrommengen auf andere verteilt werden könnten. (ddp/Tsp/AFP)

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