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Am Donnerstag gingen Hunderttausende in Frankreich gegen die Rentenreform auf die Straße.

© AFP

Streit um Rentenreform: Macrons politische Zukunft steht auf dem Spiel

Im Streit um die Rentenreform steht der Präsident vor einer schwierigen Wahl – zwischen seinem Premier Philippe und Gewerkschaftschef Berger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Am Donnerstag hat sich Frankreich entschleunigt. Touristen mussten auf einen Besuch des Eiffelturms verzichten, und am 36. Tag des Streiks gegen die Rentenreform des Präsidenten Emmanuel Macron ging bei Bahnen und Metros wieder wenig.

Die radikalen Gewerkschaften, die landesweit zu Demonstrationen aufriefen, profitieren von einem seltsamen Widerspruch: Zwar sind vor allem die Menschen in Paris zunehmend genervt von dem durchgehenden Streik, der ihnen tagtäglich den Weg zur Arbeit erschwert. Aber eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, wie sie Macron vorschwebt, wollen sie auch nicht.

Für Macron könnte sich in diesen Tagen die politische Zukunft entscheiden. Der Präsident ist bis 2022 gewählt. Aber allgemein wird erwartet, dass er sich dann zur Wiederwahl stellen will. Seine Chancen dürften dabei erheblich sinken, wenn er bei seinem wichtigsten Reformprojekt – der Rentenreform – einknicken würde.

Nach wie vor kann der Staatschef auf den Rückhalt jener Wählerschichten zählen, die ihn 2017 an die Macht brachten. Darunter sind Senioren, die heute schon eine Rente beziehen, Angehörige der Mittelschicht und leitende Angestellte. Aber Macrons Wählerbasis ist wacklig. Viele Franzosen gaben ihm 2017 vor allem deshalb ihre Stimme, um die Rechtsextreme Marine Le Pen zu verhindern.

Auch Lehrerinnen und Lehrer sehen sich als Verlierer

Im Streit um die Rentenreform kommt Macron kein derartiger Bonus zugute. Was den wochenlangen Streik für Macron so gefährlich macht, ist der Widerstand etlicher Arbeitnehmer, deren Renteneintritt noch bevorsteht. Dazu zählen nicht nur diejenigen, die die Sonderregelungen in Anspruch nehmen, die Macron streichen will. Für Beschäftigte der Staatsbahn SNCF etwa, die sich verhältnismäßig früh in die Rente verabschieden können. Oder auch Lehrerinnen und Lehrer. Auch sie bauen bisher auf ein Rentensystem, das grundsätzlich der Altersarmut eher vorbeugt als in Deutschland. Wer in Frankreich im Schuldienst beschäftigt ist, verdient zwar weniger als in Deutschland. Auf der anderen Seite des Rheins wird dies aber in Kauf genommen, weil am Ende des Berufslebens vergleichsweise üppige Renten winken.

Um den Konflikt zu entschärfen, hat Macron den Lehrern eine bessere Entlohnung in Aussicht gestellt. Aber solche Besänftigungsversuche der Regierung verfangen bei vielen Franzosen nicht mehr. Zu verfestigt ist inzwischen bei vielen Franzosen die Ansicht, Macron sei der „Präsident der Reichen“.

Je länger sich der Konflikt hinzieht, umso dringlicher wird eine Entscheidung

Je länger sich der Streik hinzieht, umso dringlicher wird es Zeit für eine Entscheidung des Präsidenten. Dabei hat er im Grunde zwei Optionen: Er könnte einerseits seinem Premierminister Edouard Philippe den Rücken stärken und an der Heraufsetzung des faktischen Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre festhalten.

Sinnvoll wäre dies, denn in den französischen Rentenkassen klafft eine milliardenschwere Finanzlücke. Andererseits könnte er auf den Chef der gemäßigten Gewerkschaftsbundes CFDT, Laurent Berger, zugehen und die geplante Änderung beim Renteneintrittsalter vom Tisch nehmen. Seinen Ruf als entschlossener Reformer wäre der Präsident dann aber los.

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