zum Hauptinhalt
Foto: Fotolia

© Tatjana Balzer - Fotolia

Streit um Steuererhöhungen: Wer soll das bezahlen?

Die SPD hält sich mit der Forderung nach Steuererhöhungen zurück – aus ihrer Sicht muss die Union nun zeigen, wie sich nötige Reformen anders verwirklichen lassen.

Von

Am 20. Oktober, will die SPD die Mitglieder des Parteikonvents in Berlin über die Frage abstimmen lassen, ob es trotz der Erfahrungen der Jahre 2005 bis 2009 Verhandlungen mit der Union über eine große Koalition geben soll. Und das Ergebnis dieser Abstimmung wird auch darüber entscheiden, wie groß der Einfluss der SPD auf die Politik einer künftigen schwarz-roten Koalition sein kann. Denn für die SPD ist eine solche Regierungsbeteiligung nach Auffassung vieler nur dann sinnvoll, wenn die Partei in vier Jahren zeigen kann, dass sie mehr sozialdemokratische Inhalte in der Regierung als in der Opposition umgesetzt hat.

Für Irritationen sorgte an diesem Wochenende diesbezüglich das Bekenntnis von Parteichef Sigmar Gabriel, Steuererhöhungen seien „kein Selbstzweck“. Fest stehe, dass notwendige Milliardenbeträge für Investitionen nicht durch neue Schulden finanziert werden könnten, hatte Gabriel gesagt. Weshalb die Union nun mal vorrechnen müsse, woher sie das Geld denn stattdessen nehmen wolle.

Der SPD geht es auch um Gerechtigkeit

Verstanden wurde Gabriels Einlassung nach dem ersten Sondierungsgespräch mit der Union am vergangenen Freitag bei den eigenen Leuten jedoch als Abrücken von Steuererhöhungen – und zwar noch vor dem Beginn von Koalitionsgesprächen. Weshalb erfahrene Sozialdemokraten wie der Nordrhein-Westfale Joachim Poß am Montag zu Protokoll gaben, es gelte „selbstverständlich das Wahlprogramm“ und darin auch die Feststellung, dass der wachsenden Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen entgegengewirkt werden müsse. Und zwar durch die stärkere Besteuerung von Vermögenden. Eine Frage der Gerechtigkeit, die im Wahlkampf der SPD eine mindestens so große Rolle gespielt hatte wie die Finanzierung von Zukunftsaufgaben.

Doch auch Letzteres ist nicht ohne: Woher soll das Geld kommen, etwa die veranschlagten 15 Milliarden Euro für Bildung und Infrastruktur? Wenn man auf „das unsinnige Betreuungsgeld“ verzichte, gebe es schon mal Spielraum, stänkert Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner. Für 2014 hat die Regierung dafür immerhin mehr als 500 Millionen Euro veranschlagt, für die Folgejahre sogar mehr als eine Milliarde. Es ist jedoch kaum denkbar, dass die CSU ihr mühsam durchgesetztes Lieblingsprojekt einfach wieder preisgibt.

Flächendeckende Mindestlöhne, so erinnern die Sozialdemokraten, brächten ebenfalls Milliarden – weil der Staat dann ja nicht mehr die teure Aufstockung von Niedriglöhnen finanzieren müsse. Aber nach einer Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes müssten die Regierenden in dieser Legislatur allein 142 Milliarden Euro investieren, um den Stand der sozialen Sicherung zu halten und weiterzuentwickeln. Dabei geht es beispielsweise um Bildung, Pflege, Behinderten- Teilhabe und sozialen Wohnungsbau.

Bis zu neun Milliarden für die Pflege

Am teuersten könnte demzufolge die verschleppte Pflegereform kommen. Die Neudefinition von Pflegebedürftigkeit und die stärkere Unterstützung von Demenzkranken dürfte pro Jahr fünf bis sechs Milliarden verschlingen. Hinzu kämen noch mal drei Milliarden für pflegende Angehörige, damit die ihre Schützlinge nicht den am Ende viel teureren Heimen überlassen. Und das alles allein über höhere Sozialbeiträge zu stemmen, dürfte den Arbeitgebern kaum gefallen.

Um die Bausubstanz der Schulen in Deutschland zu erhalten, seien jährlich rund zwei Milliarden Euro nötig, sagen die Experten. Von besserer Bildung ist dabei noch gar nicht die Rede. Damit die Mieten in den Städten erschwinglich bleiben, braucht es mehr Geld für sozialen Wohnungsbau. 100 000 Wohnungen mehr kosten 4,5 Milliarden Euro. Das so genannte Teilhabegeld, das die Politik den Behinderten in Aussicht gestellt hat, dürfte fast fünf Milliarden verschlingen. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts müssen auch die Hartz-IV-Sätze angehoben werden, den Wohlfahrtsverbänden zufolge ein Posten von mehr als 5,5 Milliarden Euro. Und um den Investitionsstau in deutschen Kliniken zu beseitigen, wären noch mal fast drei Milliarden nötig.

Fest versprochen hat die Union eine Aufstockung der so genannten Mütterrente. Eltern von Kindern, die vor 1992 geboren sind, sollen pro Kind zumindest einen Entgeltpunkt mehr für ihre Rente erhalten. Das kostet schon im ersten Jahr 6,5 Milliarden Euro. Und dann die Infrastruktur: 40 Milliarden Euro haben die Verkehrsminister der Länder gerade für marode Straßen und Brücken eingefordert, davon gut sieben Milliarden bis 2019. Ob die allein über eine erweiterte Lkw-Maut hereinzuholen sind, ist ungewiss. Die CSU-Forderung nach einer Pkw-Maut für Ausländer aber ist am einfachsten vom Tisch zu bekommen, wenn sie nicht mehr nötig ist – weil das geforderte Geld aus anderen Quellen fließt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false