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Eva Högl, Berliner SPD-Abgeordnete und Fraktionsvize im Bundestag.

© Britta Pedersen/dpa

Streit um Werbeverbot für Abtreibung: Paragraf 219a: SPD-Fraktionsvize Eva Högl löscht umstrittenen Tweet

Die Berliner SPD-Abgeordnete Eva Högl hatte nach einem Tagesspiegel-Kommentar einen provozierenden Tweet abgesetzt. Später bereute sie ihn.

Sie war diejenige, die innerhalb der SPD einen Antrag auf eine Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen vorantrieb. Und sie war diejenige, die vor knapp zwei Wochen verkündete, dass die SPD nun - nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der Union - diesen Antrag auch in den Bundestag einbringen werde, obwohl sich der Koalitionspartner explizit gegen eine solche Streichung stellt. Und sie ist diejenige, die durch Grüne, Linke, FDP und Teile ihrer eigenen Fraktion unter großen Druck geriet, als die SPD am Dienstag wieder zurückruderte und bekanntgab, den Antrag nicht zur Abstimmung im Bundestag zu stellen. In dieser aufgeladenen Stimmung setzte Eva Högl einen Tweet ab, den sie Stunden später selbst bereute und löschte.

Högl hatte sich im Ton vergriffen, wie sie zugab. Sie hatte auf Twitter zurückgeschossen, nachdem der SPD mit dem Zurückziehen von allen Seiten ein Kniefall vor der Union bescheinigt worden war: Es sei ja so schön einfach und billig auf die SPD zu schimpfen, so monierte sie. „Wie wär's damit die widerlichen 'Lebensschützer*innen' in Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren“. Dabei bezog sie sich auf einen Kommentar des "Tagesspiegel", aus dem sie unzutreffende Kritik an der SPD herausgelesen hatte. Stunden später sprach sie von einem „sehr emotionalen Tweet“, dessen Inhalt sie zurücknahm. Es liege ihr fern, so ergänzte sie, mit pauschalen Zuweisungen Einzelne persönlich zu beleidigen.

Auch die Union ist nicht glücklich

Dabei hatten sich alle Fraktionen lange Zeit um Sachlichkeit bei dem hoch emotionalen Thema bemüht: Anlass für die Debatte ist der Fall der Ärztin Kristina Hänel. Das Amtsgericht Gießen hatte sie Ende vergangenen Jahres wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt. Es berief sich dabei auf den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch, der das „das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen“ von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus verbietet. Angezeigt worden war sie - wie inzwischen auch diverse andere Ärzte - von Lebensschützern, die systematisch Homepages von Ärzten daraufhin scannen, ob sie dort Abtreibungen anbieten. Und genau diese Lebensschützer, meinte Högl in ihrem Tweet.

Auch aus Unionskreisen ist zu hören, dass dort viele mit der Art und Weise des Vorgehens dieser Lebensschützer-Gruppen nicht gerade glücklich sind - wenngleich sie das Ansinnen teilen. Sie hätten einen unnötigen Konflikt heraufbeschworen und gefährdeten nun insgesamt das fragile Schutzkonzept für das ungeborene Leben.

Als nun Högl den Startschuss für das parlamentarische Verfahren des SPD-Antrags gab, der zusammen mit den Stimmen von Grünen, FDP und Linken durchaus Chancen gehabt hätte, so oder ähnlich im Bundestag beschlossen zu werden, sahen viele rot und äußerten das laut und vernehmlich: Ein Machtwort sprach etwa neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Der Rückzug von Nahles

Die Katholikin erklärte klipp und klar: „Wenn es um den Schutz ungeborenen Lebens geht, scheut die CDU keine Diskussionen.“ Auch der Leiter des Katholischen Büros, Karl Jüsten, meldete sich zu Wort: Dass die Zusammenarbeit der großen Koalition ausgerechnet mit einem „solchen Manöver zulasten des ungeborenen Lebens eröffnet“ werde, sei sehr enttäuschend, so Jüsten weiter. Mit einer Abschaffung gerate das Konstrukt für den Schutz des ungeborenen Lebens in eine Schieflage.

Auch hinter den Kulissen begann ein lautes Füßescharren: So schrieb etwa das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) Briefe an die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles, die selbst Mitglied dieses Gremiums ist, und an die SPD-Beauftragte für Religionsfragen, Kerstin Griese, und forderten sie auf, sich für den Erhalt des Paragrafen einzusetzen. Mehrmals tagte die Koalitionsspitzen in den vergangenen Tagen zu dem Thema, bis schließlich Nahles am Dienstag in der Fraktionssitzung den Rückzug ankündigte und sich die Beteiligten auf das gemeinsame Vorgehen einigten.

Högl hat das zumindest erst mal erschwert. Die CDU-Lebensschützer werfen der SPD-Politikerin Hatespeech vor. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD), in deren Haus ein neuer Vorschlag erarbeitet werden soll, ist sicher gut beraten, nun erst mal abzuwarten, bis sich die Wogen wieder geglättet haben. (KNA)

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