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Politik: Streit ums Kleingedruckte

Die EU will aus der Gipfelerklärung kommende Woche einen Türkei-Passus streichen

Der EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel wird den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober nicht ausdrücklich bestätigen. Ein entsprechender Passus wurde aus dem Entwurf der Schlusserklärung gestrichen. Bei den Vorgesprächen über das Treffen am 16. und 17. Juni hatten türkeiskeptische Staaten wie Frankreich und Österreich darauf gedrängt, den ursprünglich vorgesehenen Verweis auf den 3. Oktober zu streichen. Stattdessen wird nur noch der Gipfelbeschluss vom Dezember erwähnt, bei dem die Beitrittsverhandlungen beschlossen worden waren. In Ankara verlautete, die Regierung setze sich dafür ein, den 3. Oktober wieder im Text zu verankern. Die Türkei sei derzeit ein sensibles Thema, zitierten türkische Medien aus EU-Kreisen. Weil es auch bei den anderen Beitrittskandidaten Probleme gebe und die EU gerade ohnehin andere Sorgen habe, solle der gesamte Passus zur Erweiterung aus der Gipfelerklärung gestrichen werden.

Ein europäischer Diplomat in Ankara warnte, das Gerangel um den Beschlusstext solle nicht überbewertet werden, so bedeute auch der Verweis auf den Gipfel vom Dezember ein Bekenntnis zu den türkischen Beitrittsverhandlungen. Aus türkischer Sicht zeigt das Ringen um den Beschlusstext aber, wie unsicher die europäische Perspektive für das Land plötzlich geworden ist. Die EU habe die gesamte Erweiterung erst einmal „zu den Akten gelegt“, kommentierte die regierungskritische Zeitung „Cumhuriyet“ bereits.

Diplomaten und Experten sehen den pünktlichen Verhandlungsbeginn für die Türkei am 3. Oktober jedoch noch nicht in Gefahr. Schließlich ist Ankara entschlossen, die Bedingungen der EU dafür zu erfüllen; so will die Regierung noch in diesem Monat das Zusatzprotokoll zur Zollunion und damit die indirekte Anerkennung der griechischen Republik Zypern unterzeichnen.

Zudem würde die EU ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, wenn sie ihren erst vor wenigen Monaten einstimmig gefassten Beschluss zur Aufnahme von Verhandlungen zurücknehmen würde. Den 3. Oktober zu halten, brächte für Türkei- Gegner kein großes Risiko mit sich, vermutet der bekannte Journalist Semih Idiz. „Den Gesprächsbeginn zu kippen, hätte dagegen einen politischen Preis.“

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