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Jedes Jahr pilgern bis zu drei Millionen Muslime nach Mekka und umrunden die Kaaba. Iranische Muslime können in diesem Jahr nicht dorthin reisen.

© REUTERS

Streit zwischen Iran und Saudi-Arabien: Kalter Krieg um Mekka

Sunniten gegen Schiiten: Zu Beginn der islamischen Pilgerfahrt Hadsch verschärft sich der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien.

Es geht um Macht, Misstrauen, Rivalität und Religion. Und an ehrverletzenden wie hasserfüllten Worten herrscht denn auch kein Mangel. Sie machen deutlich: Der Dauer-Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien erreicht dieser Tage offenbar eine neue Dimension.

Die erste Attacke kam zu Beginn der Woche von Ajatollah Ali Chamenei. „Die Muslime weltweit sollten die blasphemische und von den Weltmächten abhängige Natur der Saudis erkennen“, polterte Irans religiöser Führer und starker Mann des Landes. Die Mitglieder des Königshauses in Riad schmähte er dabei als „kleine, kümmerliche Teufel“. Der einflussreiche Kommandeur der paramilitärischen Revolutionsgarden, Mohammed Ali Dschafari, warf dem saudischen Herrscherhaus sogar vor, „in die Fußstapfen der israelischen Zionisten“ getreten zu sein.

Saudische Großmufti: Iraner sind Ungläubige

Eine scharfe Replik ließ nicht lange auf sich warten. Saudi-Arabiens sunnitischer Großmufti erklärte die schiitischen Iraner – rund 80 Millionen Menschen – kurzerhand zu Ungläubigen. Sie seien „Söhne der Magier“, befand Scheich Abdulaziz. Gemeint ist damit der Zoroastrismus. Dieser Glauben war bis zum 7. Jahrhundert, also in vorislamischer Zeit, in Persien weit verbreitet. Heute werden deren Anhänger im Iran aber diskriminiert.

Der verbale Frontalangriff des saudischen Großmufti ist der vorläufige Höhepunkt im Streit zwischen der Golf-Monarchie und der Islamischen Republik, die sich beide als regionale Großmächte betrachten. Dabei geht es vor allem um politischen Einfluss, aber eben auch um den religiösen Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten.

Anlass für den neuen Disput ist die am heutigen Samstag beginnende muslimische Pilgerfahrt nach Mekka. Mehr als zwei Millionen Gläubige werden zum Hadsch erwartet. Im vergangenen Jahr waren bei einer Massenpanik nach offiziellen Angaben fast 800 Menschen ums Leben gekommen. Anderen Schätzungen zufolge gab es sogar mehr als 2400 Todesopfer. Die Führung in Teheran macht dafür Saudi-Arabien als Hüter der heiligen Stätten Mekka und Medina verantwortlich. Auch deshalb fordert der Iran, dem saudischen Königshaus die Organisation des Hadschs zu entziehen.

Das Königshaus wiederum warnt davor, die Pilgerfahrt zu politisieren und hat versprochen, die Schutzvorkehrungen erneut zu verstärken. Wenn zum Hadsch mehrere Hunderttausend Menschen zur gleichen Zeit aufeinandertreffen, ist vor allem die Fortbewegung der Massen eine zentrale Frage der Sicherheit. Zwischen den heiligen Stätten bewegen sich zahlreiche Gläubige zu Fuß.

Muslimische Pilger werfen Steine auf Säulen an der Dschamarta-Brücke. Während des Rituals kam es 2015 zu einer verheerenden Massenpanik mit vielen Toten. Unabhängige Schätzungen nennen bis zu 2400 Tote, Saudi-Arabien spricht von knapp 800 Todesopfern.
Muslimische Pilger werfen Steine auf Säulen an der Dschamarta-Brücke. Während des Rituals kam es 2015 zu einer verheerenden Massenpanik mit vielen Toten. Unabhängige Schätzungen nennen bis zu 2400 Tote, Saudi-Arabien spricht von knapp 800 Todesopfern.

© dpa

Die Zeitung „Saudi Gazette“ meldet nun, dass die Behörden die Zeit, in der Gläubige ein Steinigungsritual an der Dschamarat-Brücke vollziehen, um zwölf Stunden verkürzen, um die Menschenströme besser kontrollieren zu können. An diesem Ort war vor einem Jahr die verheerende Massenpanik ausgebrochen. Und das nicht zum ersten Mal. Dabei gab es immer wieder viele Tote. Deshalb war das Gelände mehrfach baulich erweitert worden, zuletzt für die diesjährigen Pilgertage. Mehr Platz für die Gläubigen sowie mehr Ein- und Ausgänge sollen die Pilger vor Schaden bewahren. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters sollen knapp 1000 zusätzlich installierte Kameras dabei helfen, die Pilgerströme an der Heiligen Moschee von Mekka zu überwachen.

Leitsystem für die Pilger

Eigentlich gilt das saudische Fußgängerleitsystem weltweit als eines der fortschrittlichsten: Die Gläubigen werden in Einbahnstraßen und nach genauen Zeiten durch das Gelände der heiligen Stätten geschleust. Dennoch konnte dies nicht verhindern, dass es immer wieder zu Unglücken kommt. Nicht zuletzt, weil die Zahl der Pilgerwilligen stetig steigt.

Als weitere Sicherheitsmaßnahme sollen laut „Saudi Gazette“ die Betenden in der Moschee von jenen Pilgern, die die Kaaba umrunden, getrennt werden – ein Versuch, die Menschenmenge besser zu kontrollieren. Weiter, so teilt es die saudische Nachrichtenagentur SPA mit, werden elektronische, mit Ortungssystemen ausgestattete Armbänder ausgegeben. Darauf werden persönliche Angaben gespeichert. Geht ein Besucher im Gedränge verloren, wäre er so einfacher zu lokalisieren und zu identifizieren. Von all dem werden Irans Muslime wohl kaum etwas mitbekommen. Weil sich die Regierungen in Teheran und Riad nicht über Einreisebedingungen und die Zahl der Teilnehmer verständigen konnten, dürfen sie nicht nach Mekka reisen.

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